Adirondack Mountains, im nordöstlichen Teil des US-Bundesstaates New York. Die 41-jährige Orla Moreau und ihr drei Jahre jüngerer Ehemann Shaw Bennett haben einen Hof fern ab jeglicher Zivilisation erworben, um gemeinsam mit ihren beiden Kindern Eleanor Queen und Tycho dem Stress und der Hektik ihres ehemaligen Wohnsitzes in Manhattan zu entgehen. Zwischen Bergen, Wäldern, Flüssen und Tälern wollen sie die Tage auskosten, die Ruhe und den Frieden mitten im Nirgendwo genießen und letztlich zu sich selbst finden. Die abenteuerlustige und lebensbejahende Familie, die mit den üblichen Problemen der modernen Gesellschaft hadert, richtet sich in ihrem Farmhaus und dem dazugehörigen Grundstück mitten im Wald, auf ein mehr oder minder entbehrungsreiches Leben ein. Und das wird es definitiv werden! Hinter ihrem Haus steht, wie ein Fels in der Brandung, eine große, über 500 Jahre alte Weymouth-Kiefer. Das riesige, alles überragende Ungetüm scheint sich als Muse in Shaws Gemüt zu schleichen. Der immergrüne Baum manifestiert sich in den Träumen des 38-jährigen Familienvaters, lässt ihn besser malen, ihn vitaler erscheinen und immer aufgeregter werden. Dementgegen brechen sich beklemmende, gar bedrohliche Empfindungen bei Orla und ihrer neunjährigen Tochter Bahn. Seltsame Vorkommnisse, Gerüche, die es nicht geben dürfte, undefinierbare Geräusche, schwer einzuordnende Gefühle, Halluzinationen, Trugbilder, plötzlich auftretende und sich genauso schnell wieder legende Wetterphänomene und eine frostklirrende, todbringende Kälte. Das alles wirkt sich äußerst verstörend auf die vierköpfige Familie aus.
Die lebensnah inszenierte Folk-/Psycho-Horror Story "Wonderland - Ein Albtraum", der US-Amerikanerin Zoje Stage, besitzt jede Menge Mystery-Elemente. Dabei jongliert die 1969 in Pittsburgh, Pennsylvania geborene Schriftstellerin, Drehbuchautorin und Regisseurin hin und wieder mit der Sprache und taucht ihre leicht verständliche Syntax schon mal in Metaphern. Stage lässt neben der fabelhaft ausgeschmückten winterlichen Kulisse der Adirondack Mountains, auch gerne beklemmende und bedrohliche Komponenten in ihren erzählerischen Stil einfließen. Sie skizziert ihre Charaktere ausgiebig und haucht ihnen gekonnt Leben und Emotionen ein. So verbreitet sich schnell ein cozy Feeling, das innerhalb seiner 496 Seiten immer wieder von unbehaglichen Momenten und schaurigen Illusionen durchdrungen wird. Der raffiniert geplottete Nervenkitzel, aus Familiengeschichte, Mystery-Horror und verstörenden Passagen, bleibt dabei permanent ereignisreich, fesselnd und mit kleineren Ausnahmen authentisch.
Die Moreau-Bennetts reagieren hypersensibel und sehen Dinge, die nicht da sein sollten. Immer wieder prasseln paranormale Empfindungen auf sie ein. Eine besitzergreifende, machtvolle Entität scheint mit ihnen kommunizieren zu wollen, aber diese vergeistigte Form der Kommunikation will nicht so recht in Gang kommen und fängt an völlig nach hinten loszugehen. Alsbald liegen die Nerven der Familie blank und sie verlieren deutlich an Bodenhaftung. Als Orla und Shaw tiefer in die Geschichte rund um ihren frisch erworbenen Grund eintauchen und darüber spekulieren, worum es sich dabei handeln könnte, wird es immer unheimlicher. Lebensbedrohliche Wetterkapriolen schlagen unbarmherzig zu und zwingen die vier im Haus zu bleiben. Die verkopfte Orla versinkt nahezu permanent in ihrer Gedankenwelt, die sich geradezu krankhaft neurotisch um ihrer aller Schicksal dreht. Während sie verzweifelt versucht, die Familienbande zusammenzuhalten, bricht ihr beinahe der Boden unter den Füßen weg, denn nicht nur Shaw verändert sich nachhaltig. Die Ereignisse überschlagen sich endgültig, als Orla, Shaw, Eleanor Queen und Tycho versuchen das Wesen zu überlisten und das Grundstück für immer zu verlassen. Mit fatalem Ausgang.
Die verwirrenden Geschehnisse im Umfeld des Hauses erinnerten mich in gewisser Weise an eine Mischung aus "Old Country" von Matt und Harrison Query, "The Ceremonies" von T.E.D. Klein und "Das Jahr der Hexen" von Alexis Henderson. Psychologische Komponenten spielen eine ebenso tragende Rolle, wie Phänomene aus schwarzer und weißer Magie. Zoje Stages 2020 im Original unter dem Titel "Wonderland" erschienener zweiter Roman ist für mein Empfinden jedoch einen Tacken zu verspielt. Die US-amerikanische Bestsellerautorin sinniert mir zu häufig und zu ausgiebig über dies und jenes. So hätte sie Orlas omnipräsente Gedankengänge bezüglich des "Wie", "Was" und "Warum" und das langatmige Geplauder rund um ihren Seelenzustand, deutlich abkürzen können. Dafür hätte sie ihren Plot gerne noch etwas düsterer, bedrohlicher und blutiger ausgestalten können. Dennoch muss man neidlos anerkennen, dass Mrs. Stage ihre interessanten und übernatürlichen Ideen zu einem starken Gesamtkonstrukt zusammensetzt. Dabei arbeitet die Autorin, die viele Jahre in Rochester im US-Bundesstaat New York gelebt hat, gerne mit Cliffhangern, die sie strategisch sinnvoll anbringt. Zoje Stage lebt heute wieder in ihrer Heimatstadt Pittsburgh.
(Janko)
https://zojestage.blogspot.com/
https://www.facebook.com/ZojeStageAuthor
https://www.instagram.com/zoje.stage_author/
Brutalität/Gewalt: 22/100
Spannung: 74/100
Action: 66/100
Unterhaltung: 82/100
Anspruch: 30/100
Atmosphäre: 62/100
Emotion: 63/100
Humor: 04/100
Sex/Obszönität: 02/100
LACK OF LIES - Wertung: 78/100
LACK OF LIES - Altersempfehlung: ab 15 Jahren (aufgrund der allgemeinen Thematik und der, allerdings nicht allzu expliziten Gewaltszenen)
Zoje Stage - Wonderland - Ein Albtraum
Festa Verlag
Spukhausgeschichte
Buchreihe: Festa Must Read - Band 50
ISBN: 978-3-98676-093-9
496 Seiten
Hardcover in der Festa-Lederoptik, mit Leseband
Originaltitel: Wonderland (2020)
Aus dem amerikanischen Englisch von Claudia Rapp
Erscheinungstermin: 06.12.2023
EUR 24,99 Euro [DE] inkl. MwSt.
Weitere Formate:
ISBN (eBook): 978-3-98676-094-6
Erscheinungstermin: 11.11.2023
EUR 7,99 Euro [DE] inkl. MwSt.
"Wonderland - Ein Albtraum" beim Festa Verlag: https://www.festa-verlag.de/wonderland-ein-albtraum.html