WINTERSUN - The Forest Seasons
Mit „The Forest Seasons” haben sich WINTERSUN aus Finnland ein kleines Denkmal gesetzt, indem sie sich die vier Jahreszeiten aus Sicht des Waldes und seiner Bewohner als Konzept vornahmen. Seit dem Jahre 2004, in dem Sänger und WINTERSUN Gründer Jari Mäenpää seine damalige Band ENSIFERUM verließ, markiert dieses neuerliche Epos erst den dritten Studio Longplayer, der Epic Melodic Black/Death Metaller aus Helsinki. Das Quintett um Bandkopf und Mastermind Mäenpää lässt sich generell viel Zeit für die Ausarbeitung ihrer epischen Melodic Black/Death Kompositionen. So wurde „The Forest Season“ dieses Mal gar von einer Crowdfunding Aktion begleitet, die den finnischen Epic Metallern die Konstruktion eines bandeigenen Studios ermöglichen sollte. Die Fans, die sich an dieser Aktion beteiligen wollten, hatten die Möglichkeit bis ca. 3 ½ Monate vor dem Release ein "Forest Package" für 50,- Euro über die Band zu ordern. Dieses Angebot enthielt neben den digitalen Songs des „The Forest Seasons“ Konzeptalbums auch noch eine instrumentale Version der Tracks, die Möglichkeit, jede Tonspur einzeln anzusteuern, ein digitales 5k-Booklet, sowie die beiden Vorgängeralben „Wintersun“ (2004) und „Time I“ (2012) in remasterten und remixten Versionen. Als weiteres Goodie gab es noch die Live LP mit den Aufnahmen des 2013er Tuska Open Air Festivals. Letztere wird parallel zum „The Forest Seasons“ Album am 21.07.2017 erscheinen und ist somit auch für diejenigen erhältlich, die sich das „Forest Package“ nicht sichern konnten oder wollten. Diese Indiegogo-Kampagne schlossen die Finnen eindrucksvoll mit 460.000 Euro ab (angepeilt waren 150.000 Euro).
Track 1 „Awaken From The Dark Slumber (Spring)“:
Das Leben erwacht aus dem Rhythmus des Sterbens. Aus dem Alten und Vergangenen entsteht neues Leben und die quicklebendige Frische der Jugend. WINTERSUN verbreiten mit ihrem positiv gestimmten, keyboardunterstützten Melodic Black Metal des ersten Stücks eine gewisse epische Aufbruchstimmung. Hin und wieder werden Waldgeräusche eingestreut. Das Flirren der Schmetterlinge und Vögel, das Wuseln, das Schnuppern und das Kreuchen der Vier-, Sechs-, und Achtbeiner, das Wachsen der Bäume, alles wird grün und lebendig, der Fluss führt Tauwasser und schwillt allmählich an, tritt über die Ufer und flutet das Land. Hymnische, majestätische und opulente Klänge, eingängige Melodieführungen, klassische Gitarren, harsche, krächzende Vocals, die nur äußert sporadisch, warmem und erhabenem Klargesang Platz machen und ein zumeist galoppierendes Midtempo Drumming verheißen kleine, wie große Abenteuer und würden sich aufgrund ihrer Inszenierung eventuell gar als Filmmusik zu den Schlachten aus „Der Hobbit“ oder „Herr der Ringe“ eignen.
Track 2 „The Forest That Weeps (Summer)”:
Alles fließt, alles ist in Bewegung. Es sind zumeist fröhliche, anmutige, folkige Klänge mit ausladenden, rein akustischen Passagen, die vom morgendlichen ersten Zucken des Waldes bis hin zur Jagd künden und über die kaum zu ertragende Mittagshitze bis hin zum allabendlichen Getummel reichen. Diese, positiv zum Leben eingestellte Musiklandschaften, ihr dynamischer Flow, der Choralgesang und die orchestralen Inszenierungen erfahren Unterstützung von verschiedenen Mitgliedern von ENSIFERUM, TURISAS, MOONSORROW und TÝR, die man extra ins Studio eingeladen hatte. Im Refrain wechseln die Nordmannen von ihrem harschen aber stets eingängigen Black/Death Metal, der mich in Auszügen an DIMMU BORGIR oder gar VINTERSORG erinnert, hin zu klassischen Passagen mit Power Metal Anleihen.
Track 3 „Eternal Darkness (Autumn)”:
Es wird Herbst. Die Tage werden kürzer, der Sound hörbar dunkler, die Atmosphäre mysteriöser und die Stimmung immer kälter. Die Blätter fallen von den Bäumen, alles verdorrt, bereitet sich auf die kalte Jahreszeit vor. Die Gitarren sind erstmalig so richtig schön tiefenverzerrt und zähfließend. Es wird spürbar rauer, bleibt aber stets hymnisch und episch. Die Klangdimensionen werden dissonanter und Jari Mäenpääs’ Gesang spürbar düsterer, langgezogener und gefühlskälter. Der herbstlich kalte Hauch des Sterbens gesellt sich in Form gutturalen Growlings und kehligen, fast gesprochenen Passagen hinzu. Blastbeats setzen hin und wieder ein und machen den Song zu einer runden Sache.
Track 4 „Loneliness (Winter)”:
Schnee fällt vom Himmel, Donner grollt, WINTERSUN streifen zumeist im Lowtempo durch das weiße Land. Es ist aufs Neue sehr detailreiche Musik, die sich aufgrund ihrer Komplexität nicht gleich beim ersten Durchlauf zur Gänze entfalten kann. Der überwiegend melancholische, empathische und erhabene Klargesang stellt Mäenpääs’ derbe Black Metal Vocals und sein tiefdunkles Todesgrollen dieses Mal schier ins Abseits und übernimmt im letzten Track des Albums eine klare Führungsposition. Für mich stellt „Loneliness (Winter)” ganz klar den besten Track des Opus „The Forest Seasons” dar.
„The Forest Seasons“ ist ein wirklich gutes und recht komplex gehaltenes Album voller Atmosphäre geworden, das jetzt aber musikalisch nicht übermäßig über andere Outputs dieses Genres hinaus ragt. Dafür sind WINTERSUN in ihren vier epischen Jahreszeiten, die zwischen 12:18 Minuten und 14:41 Minuten tendieren, einfach zu gewöhnlich geblieben. Dafür muss man ihnen wiederum zugutehalten, dass sie die Magie und die Mystik des Genres gekonnt in ihr stilistisches Soundkonzept eingewoben haben und somit schaurig schöne Musiklandschaften entstehen ließen. Als Quell der Inspiration galt WINTERSUN das Violinkonzert „Die vier Jahreszeiten“ des venezianischen Komponisten und Violinisten des Barocks Antonio Vivaldi. Gemixt und gemastert wurde das 54:01-minütige Material von der Band höchst selbst.
Meine Wertung: 87/100
WINTERSUN in der aktuellen Besetzung:
Jari Mäenpää – Gesang (Studio-Gitarre & Programmierung)
Teemu Mäntysaari – Gitarre
Asim Searah – Gitarre
Jukka Koskinen – Bass
Kai Hahto – Schlagzeug
Tracklist:
01. Awaken From The Dark Slumber (Spring) (14:40)
02. The Forest That Weeps (Summer) (12:18)
03. Eternal Darkness (Autumn) (14:08)
04. Loneliness (Winter) (12:54)
TT: 54:00 Minuten
Anspieltipps: Dieses Konzeptalbum will komplett gehört werden...aber hier rechts gibt's ja auch noch zwei Videos ;-)
Guitar Playthroughs zu “Awaken From The Dark Slumber (Spring)” und “Eternal Darkness (Autumn)”: