Der in Rumänien geborene, heute vorwiegend in München, sowie Fort Myers, Florida beheimatete Schriftsteller Uwe Laub hat nach seinen beiden Erfolgsromanen "Blow Out" (2013) und "Sturm" (2018) den nächsten großen Wurf in Form eines hochbrisanten, äußerst informativen und vor allen Dingen topaktuellen Öko- und Wissenschafts-Thrillers am Start. In seiner, am 13.04.2020 erschienenen Dystopie "Leben", zeichnet der 49-jährige Autor ein erschreckend realitätsnahes Ende des Anthropozäns, welches trotz des Hauptthemas Artensterben ein unglaublich hohes Maß an Dynamik und Vitalität besitzt. Der prägnante Klappentext, sowie das minimalistisch gehaltene, aber äußerst ansprechende und ausdrucksstarke Cover üben einen starken Sog auf die potenzielle Leserschaft aus, deren bereitwillige Hingabe sich in vollem Maße als lohnenswert erweisen dürfte.
Der investigativ recherchierte Plot, welcher exklusive Nachwort und Danksagung insgesamt 367 Seiten umfasst, startet dieses Mal mit einem kleinen Exkurs nach Südafrika, genauer gesagt den Kruger-Nationalpark. Das Naturreservat im Nordosten des Landes hat seine Pforten aus noch unerfindlichen Gründen für die Öffentlichkeit geschlossen. Mark Brenner, ausgestattet mit einer Sonderfluggenehmigung des südafrikanischen Ministeriums für Umwelt und Touristik, befindet sich an Bord eines Leichtflugzeugs. Dem neugierigen Piloten Adam erklärt Brenner, der Ausbruch einer Art Tollwut sei für die Schließung des Parks verantwortlich. Adam glaubt Brenner kein Wort. Beim Überfliegen des Parks in niedriger Höhe trauen beide ihren Augen nicht. Verwesende Tierkadaver sowie das Auge reicht.
Nach einem Ortswechsel in die Hauptstadt Ungarns, erfährt der Leser vom Künstler Lajos Farkas, der in einem noblen Budapester Kaffeehaus in den fragwürdigen Genuss einer Süßware kommt. Erneuter Szenenwechsel. Dieses Mal ein Schwenk nach München. Hier ist Pharmareferent Fabian Nowack im Auftrag seiner Firma Artinova Pharma unterwegs, um Ärzte aufzusuchen und selbigen die Präparate seines Arbeitgebers schmackhaft zu machen, als ihn plötzlich Kopfschmerzen, ein drückendes Gefühl in der Brust, Übelkeit, Magenkrämpfe und allgemeines Unwohlsein plagen. Zu seinem Glück befindet er sich gerade im Anmeldebereich einer Praxis, sodass ihm unmittelbar geholfen werden kann. Als Fabian Tage später die erschreckende Diagnose seines Hausarztes erhält, zieht ihm diese doch glatt den Boden unter den Füßen weg.
Mit einem Umschwung nach Cuxhaven sind wir wieder bei Mark Brenner, der gerade mit der "Lotse 3" auf der Elbe zu einem havarierten Containerschiff schippert. Fast die gesamte Crew, der vor sechs Wochen in Hongkong in See gestochenen "Mary Rose" ist offensichtlich ums Leben gekommen. Auch die heikle Fracht, die Brenner von dem Containerschiff entgegennehmen wollte ist dahin. Doch welcher Zusammenhang besteht hier mit dem Massensterben im Kruger-Nationalpark?
Schriftsteller Uwe Laub hält durch seine kurze, prägnante Informationsflut die Spannung durchgehend auf hohem Niveau und arbeitet in seinen recht kurzen Kapiteln gerne mal mit Cliffhangern. Mit ordentlich Action und markerschütternden Ereignissen im Gepäck, erzählt er seine erschreckend realitätsnahe Story wie im Laufschritt. Der Leser klebt also an seinen Seiten, wie ein Neugeborenes an den Brüsten seiner Mutter. Auch die kurzen, überwiegend den Tatsachen entsprechenden Ansprachen zu Beginn der einzelnen Kapitel im ersten Teil des Romans regen zum Nachdenken an. Uwe Laubs Schreibstil bleibt trotz der prekären Situation unaufgeregt, nüchtern und faktenbasiert. Da fällt die ein oder andere Persönlichkeitsstudie oder das Lokalkolorit zwar etwas limitierter aus, eine ausführliche Zeichnung der Charaktere oder der jeweiligen örtlichen Kulisse ist allerdings auch nicht unbedingt vonnöten. Das hohe Tempo, die interessanten, wie erschreckenden Fakten und der unbeugsamen Spannungsbogen des intelligenten Ökothrillers machen "Leben" zu einem wahren Pageturner. Immer wieder spielt der Autor mit der Angst der Leser, legt falsche Fährten aus, baut unerwartete Wendungen ein und führt so seine Protagonisten, wie auch seine Leserschaft in die Irre.
Weiter geht es in die Schwäbische Alb. In der Karsthöhle entdeckt Mark Brenner gemeinsam mit dem Mitarbeiter des Baden-Württembergischen Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Lorenz Faas etliche tote Fledermäuse. Sie unterhalten sich darüber, dass innerhalb weniger Tage 120.000 Saiga-Antilopen in den Koustanay-Steppen in Kasachstan verendet sein sollen. Ein weltweites Artensterben setzt ein und damit auch ein unerbittliches Rennen gegen die Zeit. Demgegenüber stehen jedoch apotheotische wirtschaftliche Interessen.
Fabian Nowack erhält das Angebot von Dr. Leonore Hauser, einer Spezialistin des Robert-Koch-Instituts, an einer speziellen Studie teilzunehmen, die seinem Leiden Abhilfe schaffen und seine Krankheit heilen könnte. Nowack soll dafür drei Monate in einem ehemaligen Kurhotel untergebracht werden. Dort stößt er auf Hinweise, dass der Fortbestand der gesamten Menschheit auf dem Spiel steht. Doch zu spät bemerkt Nowack, dass er einer Art Komplott aufgesessen ist.
Ein halbes Jahr zuvor macht sich eine kleine Expedition in den brasilianischen Urwald auf, um Erkenntnisse über ein indigenes Volk zu erlangen. Die Mission gerät aus den Fugen und endet in einem Desaster.
Auch wenn es sich bei "Leben" um Fiktion handelt, sind die Parallelen zu unserer momentanen Situation in der Corona-Krise schon verblüffend. Gewisse Vorkenntnisse zu Teilen der Genetik, Epigenetik, Proteinen, Pilzen, Krankheiten wie BSE, Alterungsprozessen etc. sind hier sicherlich von Vorteil, andererseits werden die unterschiedlichen Themenbereiche ausreichend und anschaulich beleuchtet. Das Internet macht zudem Recherchen oder Hintergrundinformationen für weitergehend interessierte Leser selbstredend zum Kinderspiel. "Leben" ist mehr als nur ein belletristischer Roman geworden. Er ist Gegenwarts- und Zukunftsliteratur, die zum Nachdenken anregen soll und dies hoffentlich auch nachhaltig tut. Der Münchner Schriftsteller Uwe Laub baute auch einige ernüchternde Zwischentöne in seinen Roman ein, die in der oder ähnlicher Form sicherlich bereits in den starrhalsigen Köpfen so einiger Wirtschaftsmagnaten herumschwirren.
(Janko)
https://www.facebook.com/uwelaubautor
https://www.instagram.com/uwe_laub
Brutalität: 54/100
Spannung: 89/100
Action: 71/100
Unterhaltung: 87/100
Anspruch: 73/100
Humor: 04/100
LACK OF LIES - Wertung: 87/100
Uwe Laub liest und referiert aus seinem Buch "Leben:
Leben
Thriller
ORIGINALAUSGABE
Paperback , Klappenbroschur, 384 Seiten, 13,5 x 20,6 cm
ISBN: 978-3-453-43963-4
€ 14,99 [D] | € 15,50 [A] | CHF 21,90* (* empf. VK-Preis)
Verlag: Heyne
Erscheinungstermin: 13. April 2020
Link zur Buchseite des Verlags: https://www.randomhouse.de/Paperback/Leben/Uwe-Laub/Heyne/e544248.rhd