Französische Schweiz im Sommer 2018. Der junge Amerikaner Sam Avery quält sich mit schrecklichen Gedanken über seine weitere Zukunft. Sein niederländischstämmiger Lebensgefährte Nick Grevers ist nach einem Unfall auf dem Maudit (4465 m hoher Berg in den Walliser Alpen) entsetzlich entstellt und liegt im künstlichen Koma. Von Nicks Kletterpartner Augustin Laber fehlt seitdem jede Spur. Sam lässt sich gemeinsam mit Nicks Eltern Louise und Harald Grevers vor Ort erklären, wie es nun weitergehen soll. Die Diagnosen der Ärzte im CHUV (Centre hospitalier universitaire vaudois) sind jedoch alles andere als vielversprechend. Als der 27 Jahre alte Nick aus dem künstlichen Koma geholt wird, fällt es ihm schwer verbal zu kommunizieren. Auf einem Zettel, den er seinem Lebensgefährten Sam über Nachtschwester Cécile Métrailler zukommen lässt, zweifelt Nick die Unfalltheorie offen an. Dass fortan etwas mit ihm nicht stimmt, wird schon sehr bald offenbar. Nick hat Angst verrückt zu werden und traut seinen eigenen Gedanken nicht. Kann dieser tiefgehende Schmerz, die wirren Gedanken und das furchtbar entstellte Gesicht eine junge Liebe und Partnerschaft auf Dauer aushalten?
Nach dem erfolgreichen Thriller "HEX" veröffentlicht der, 1983 in Nijmegen geborene Autor Thomas Olde Heuvelt, mit "Echo" erneut einen tiefgründigen, geistreichen und komplexen Psychothriller der Extraklasse. Wie ein alter Meister malt Olde Heuvelt eine detaillierte, beklemmende und verstörend nebulöse Kulisse, die in eine unterschwellige Gefühlswelt aus Angst, Kälte und Verderben mündet. Die stetige Bedrohung seiner niveauvollen und tiefenpsychologischen Erzählung wirkt zu keinem Zeitpunkt künstlich heraufbeschworen, sondern stets sehr real.
Olde Heuvelt bedient sich einer modernen, aber auch ungeschönten Ausdrucksweise, die viele eingedeutschte (bzw. eingeniederländischte) Begriffe, wie auch diverse Anglizismen nutzt, dadurch aber auch nicht immer ganz leicht zu lesen ist. Die Stimmung ist bedrohlich, bedrückend, traumatisierend und melancholisch, während zugleich ein unheimlicher Sog an Spannung aufgebaut wird. Es sind aber nicht so sehr die Dinge, die ausgesprochen werden, sondern vielmehr die Dinge, die lieber im Verborgenen bleiben, kurz verstohlen um die Ecke blicken und die sich zu ungeahnten Größen aufbauschen. Wer hier die schnelle und extreme Action erwartet, wird vielleicht ein wenig enttäuscht werden, denn der niederländische Schriftsteller Thomas Olde Heuvelt vermag sich vielmehr in ausladende, bisweilen gar metaphorische Gedankenspiele hineinzuphilosophieren.
Krankenschwester Cécile Métrailler, die sich mit Sam in einem Café in Lausanne verabredet, hat eine gänzlich andere Theorie zu den Vorfällen, als ihre Vorgesetzten. Langsam beginnt Sam zu begreifen, was sich in den Bergen wirklich abgespielt haben könnte. Von den tatsächlichen Vorgängen, die weitaus dramatischer sind, als alle Varianten, die sich Sam nur hätte vorstellen können, ist er damit jedoch immer noch meilenweit entfernt. Während er zurück in seine alte Heimat New York flüchtet und Nick nach Amsterdam ins AMC (Academisch Medisch Centrum) verlegt wird, häufen sich dort merkwürdige Todesfälle.
Eine Tragödie ungeahnten Ausmaßes bahnt sich ihren Weg. Nick, der fortan eine schreckliche Veränderung durchmacht, legt ein immer merkwürdigeres, bisweilen gar psychotisches Verhalten an den Tag, das irgendwann nur noch als abnorm zu bezeichnen ist. Seine Psyche stürzt allmählich in einen bodenlosen Abgrund. Nick hatte etwas vom Maudit mit nach Hause gebracht, was besser für immer in den Bergen geblieben wäre...!
Autor Thomas Olde Heuvelt versteht es auf exzellente Weise eine lange nachwirkende Atmosphäre, voller Charisma, Melancholie und Angst zu erschaffen. Er baut etliche, verschachtelte Gedankenkonstrukte für seine akribisch charakterisieren Protagonisten auf, denen sich selbige immer wieder in ihrem Kampf mit den eigenen Dämonen stellen müssen. Olde Heuvelt stellt ethische, moralische und philosophische Fragen und springt auf ungewöhnliche Weise in den Tempora hin und her. Der labyrinthisch, gleichwohl offene Aufbau seines anspruchsvollen Thrillers avanciert zu einem furiosen Meisterwerk der modernen Spannungsliteratur. Auf seine beklemmende und mystische Art verspricht der moderne, böse und kontrastreiche Alptraum "Echo" meisterhaft verfassten, subtilen Horror, der nach und nach das pure Grauen nach außen stülpt. Sein packendes Psychogramm ist so erfrischend anders. Ein Hammer von einem Buch!
(Janko)
https://www.facebook.com/thomas.oldeheuvelt.7
Brutalität/Gewalt: 51/100
Spannung: 87/100
Action: 63/100
Unterhaltung: 92/100
Anspruch: 55/100
Humor: 11/100
Sex/Obszönität: 03/100
LACK OF LIES - Wertung: 92/100
"Echo" beim Heyne Verlag: https://www.penguinrandomhouse.de/Paperback/Echo/Thomas-Olde-Heuvelt/Heyne/e571419.rhd
Thomas Olde Heuvelt - Echo
Heyne Verlag
Horror/Thriller
ISBN-13: 978-3-453-32098-7
720 Seiten
Taschenbuch, Klappenbrosch.
Originaltitel: Echo
Aus dem Niederländischen übersetzt von: Dr. Gabriele Haefs
Erscheinungsdatum: 11.10.2021
EUR 17,00 [DE] [inkl. MwSt]
Buchtrailer zu "Echo":