Der Luzifer Verlag beweist doch immer wieder ein feines Näschen für einnehmende, atmosphärische Geschichten exzellenter Autoren. So auch im Falle des abseitigen Mystery Romans "Knochenbleich" von Ronald Malfi, in dem wir uns mitten in der Wildnis Alaskas, genauer gesagt in dem kleinen, verschrobenen Örtchen Dread’s Hand, einer alten Bergbausiedlung etwa 90 Meilen nordwestlich von Fairbanks, am äußeren Rande des Polarkreises wiederfinden.
Als der ausgemergelte und augenscheinlich mit getrocknetem Blut besudelte Joseph Allen Mallory seine heiße Schokolade in Tabby Whites Café ausgetrunken hat, teilt er den anwesenden Gästen mit, dass er alle umgebracht habe und sie den Hilfssheriff Drammell rufen sollen. Er würde draußen vor der Kirche auf ihn warten. Der Hilfssheriff mit dem ungewöhnlichen Vornamen Valerie meldet sich daraufhin bei Detective Jill Ryersons von der Abteilung für Kapitalverbrechen in Fairbanks, die sich gemeinsam mit ihrem Kollegen Mike McHale auf den Weg nach Dread’s Hand, im Vorgebirge der White Mountains macht. Einer Gegend, in der einer Schätzung nach, seit 1998 etwa sechzehntausend Menschen verschwunden sind. Es ist ein beunruhigender Ort, mit einem beunruhigenden Namen und beunruhigend vielen Holzkreuzen am Rand der Straße, die zu dem ehemaligen Bergbaudorf führt. Dort angekommen lassen sich Detective Ryerson und McHale gemeinsam mit Hilfssheriff Valerie Drammel zu den Gräbern bringen, die Joe Mallory keine zwei Meilen außerhalb der abgelegenen alaskischen Ortschaft, für seine Opfer ausgehoben hat. Als sich Ryerson während der anschließenden Durchsuchung von Joseph Mallorys Haus immer unwohler fühlt und sogar die Spürhunde vor lauter Nervosität von den Gräbern abgezogen werden müssen, wird ihr sehr schnell bewusst, dass hier weit mehr dahintersteckt, als nur ein psychopathischer Massenmörder.
Währenddessen sitz Englischprofessor Paul Gallo im Telluride in Annapolis, im US-Bundesstaat Maryland bei einem Glas Johnnie Walker. Im TV laufen gerade News über die Entdeckung einer männlichen Leiche, in genau jenem Gebiet, in dem Pauls Zwillingsbruder Danny vor einigen Jahren verschwunden ist. Als weitere Leichen geborgen werden, reist Gallo kurzerhand nach Fairbanks, um seinen Zwillingsbruder anhand seiner DNA identifizieren zu lassen. Um seinen inneren Frieden zu finden und um sich vor Ort ein eigenes Bild der Lage zu machen, fährt er schließlich selbst in die ehemalige Bergbausiedlung Dread’s Hand, um die sich Aberglauben und böse alte Geschichten ranken. Es gab allerlei denkwürdige Vorkommnisse in der langjährigen Vergangenheit, die unzählige Opfer forderten. Unfälle geschahen, es kam zu Morden, Kannibalismus, manche verloren gar ihren Verstand. Daher werden Paul Gallos Recherchen vor Ort auch nicht gerade willkommen geheißen und so ist er mehr oder minder auf sich allein gestellt. Je mehr Gallo recherchiert und in den Tiefen der Vergangenheit gräbt, desto abweisender werden die Einheimischen ihm gegenüber.
"Knochenbleich", welches ein recht schlichtes, dafür umso ausdrucksstärkeres und atmosphärischeres Artwork ziert, ist die perfekte und kurzweilige Lektüre zu dieser kalten Jahreszeit. Der 1977 in Brooklyn, New York geborene und heute mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Annapolis lebende, US-amerikanische Schriftsteller Ronald Malfi zündet gleich zu Beginn seines 348 Seiten umfassenden Mystery Horrors "Knochenbleich" mehrere Raketen, deren Schweif er erst einmal für längere Zeit nachwirkende lässt. Nicht zuletzt aufgrund dieser Tatsache und des eingängigen, leicht zu lesenden Schreibstils, ist mir der Einstieg in seine Erzählung recht leicht gefallen. Die Hintergrundinformationen aus dem Privatleben, sowie die Erinnerungen, seiner häufig von Selbstzweifeln geplagten Protagonisten, welche der preisgekrönte Schriftsteller Ronald Malfi geschickt in seinen gemächlich und unterschwellig Spannung aufbauenden Plot einbaut, lassen selbigen durchaus authentisch erscheinen. Man spürt förmlich die Beklemmung, das Unbehagen und die wachsende Verärgerung Gallos gegenüber der grobschlächtigen Verschlagenheit der unfreundlichen und unkooperativen Einwohner, der rauen Kälte der verschneiten Wälder und der schroffen arktischen Landschaft. Die Beschreibung der jeweiligen Kulisse, sowie der Action- und Schockmomente hätte jedoch gerne etwas üppiger und facettenreicher ausfallen dürfen, was der ansonsten einwandfreien Atmosphäre sicherlich noch mehr Nachdruck verliehen hätte.
Gallo kommt sich vor wie ein Eindringling, wie ein Außenseiter und das ist er ja im Prinzip auch. Er gibt sich mit den wenigen Ergebnissen, die er mühsam zusammensammelt nun mal einfach nicht zufrieden und allmählich verwirren und verschleiern Trugbilder seine Sicht. Wie in seinen ureigenen Fiebertraum gesogen, beginnt Paul zu fantasieren. Realität und Wahnvorstellung verschwimmen zu einer Trance aus ungeahnter Vorstellungskraft, aus Wunschtraum, Ekel, Trauer, Schuld und Sühne. Gefangen in seinem eigenen Zyklus von Leben und Tod droht sein geistiges Verwirrspiel in Besessenheit auszuarten und er selbst allmählich den Verstand zu verlieren. Irgendetwas Unheimliches und Übernatürliches scheint in den Wäldern Alaskas verborgen. Nicht umsonst sagt man Dread’s Hand nach, dass der Ort verflucht sei...
(Janko)
https://www.facebook.com/ronald.malfi/
Brutalität/Gewalt: 50/100
Spannung: 76/100
Action: 57/100
Unterhaltung: 85/100
Anspruch: 21/100
Humor: 09/100
Sex/Obszönität: 02/100
LACK OF LIES - Wertung: 83/100
"Knochenbleich" beim Luzifer Verlag: https://luzifer-verlag.de/titel/1647
Ronald Malfi - Knochenbleich
Luzifer Verlag
Mystery/Horror
ISBN (Buch): 978-3-95835-578-1
ISBN (E-Book): 978-3-95835-579-8
348 Seiten
Taschenbuch
Originaltitel: BONE WHITE
Aus dem Englischen übersetzt von: Nicole Lischewski
Taschenbuch: EUR 14,95 [DE] inkl. MwSt
E-Book: EUR 7,99 [DE] inkl. MwSt
Erscheinungsdatum: 31.10.2021