OBSCURA - Diluvium
Kürzlich von ihrer Tour mit SEPULTURA, GOATWHORE und FIT FOR AN AUTOPSY zurückgekehrt, haut die Progressive/Technical Death Metal Horde OBSCURA aus Landshut, ihre mittlerweile fünfte Kunststoffdrehscheibe raus. Gerade mal zwei Jahre sind seit dem Vorgänger „Akróasis“, dem dritten Album des Konzepts über den Ursprung und die Entwicklung des Universums („Cosmogenesis“), dem Impuls der Evolution aus Vergänglichkeit und Neuentstehung („Omnivium“), das Hören und Wahrnehmen im Nichts („Akróasis“) und der großen Flut („Diluvium“) vergangen. OBSCURA 5.0 ist nun also das abschließende Kapitel dieser Tetralogie. Elf Tracks voller komplexer Songstrukturen und enthusiastischer Spielfreude haben die Bajuwaren auf ihr 53:58-minütiges Konzeptalbum gepackt. Diese werden mit geistreichen Texten über Kosmos und Philosophie unterlegt, was sich unschwer an den Songtiteln ableiten lässt. Das Konzept, das OBSCURA mit „Diluvium“ zur musikalischen Apotheose führen, ist definitiv keine weichgespülte Mainstream Kacke, sondern der Muse verpflichteter, überwiegend harter, aber auch sehr durchdachter und ausgeklügelter Technical Death Metal.
Das Bavarian Foursome, das seit 2002 Raum und Zeit mit kreativen, virtuosen, Synapsen ansteuernden Klangdimensionen beschallt, vereint harsche Brutalität mit enormer Experimentierfreudigkeit und filigranen Instrumentaltechniken. OBSCURA verarbeiten die vielfältigsten musikalischen Landschaften. So gilt es beispielsweise immer wieder Anleihen aus den Bereichen Fusion oder Barock zu vernehmen. Munter, sprunghaft und überwiegend deftig startet die Klangchimäre mit dem scheinbar chaotischen, dennoch strukturversessen „Clandestine Stars“ in ihr eigens erschaffenes „Diluvium“. Zur Auflockerung der eigenständigen Instrumental-Artistik bringt der unorthodoxe, progressive Tech Death mit dem kräftigen, thrashig-zankigen Death Shouting von Sänger und Gitarrist Steffen Kummerer häufig Tuba, aber auch mal Violine oder Chorus-, beziehungsweise Soundlayers ins Spiel. Das äußerst interessante Tubaspiel ist alles andere als langweilig oder gar störend, schmiegt sich perfekt an die übrigen Instrumentierung an und unterstützt in gewisser Weise gar das Spiel des Tieftöners, was man am deutlichsten am Digtal Bonus Track „A Last Farewell“ ablesend kann. Diese beiden Tieftoninstrumente ergänzen sich natürlich prima und bieten sich daher für ein Zusammenspiel geradezu an. In den zugänglichen Refrains und Bridges, die eindeutig Ohrwurmcharakter aufweisen, kommen neben pressenden Melodien auch ansprechende, elektronisch veränderte, teils über die Death Vocals gelegte spacige, Vocoder-bearbeitete Klargesangspassagen zum Tragen. Mit verschiedenen schrägen, aber stets melodischen Spielweisen in Bass, Gitarre und Drumplay, samt den zwischengeschobenen tubaunterstützten Sequenzen, hat man eine eigenständige, höchst niveauvolle Soundkreatur zum Leben erweckt. Die kurzen, schnellen, zum Teil stakkatohaften Riffabfolgen, die grandios geballerte, nach vorne treibende Poly- und Crossrhythmik, die sich jeglicher Stile, Dynamiken und Geschwindigkeiten bedient, die griffigen Deathshouts, der durchdringende Bass und die sensationell gezockten, verfrickelten Leads, sowie der häufige Einsatz klassischer Metalparts unterstreichen die Brutal Madness der süddeutschen Todestechniker. OBSCURA liegen aber auch zu jedem Zeitpunkt perfekt im Flow, was ein weiterer Grund dafür sein dürfte, warum sich das gelungene Experiment, mit seinen umfangreich gefassten Strukturen, bereits mit der Startrille zur vollen Blüte entfalten kann.
OBSCURA sind die wahren Götter des Progressive Tech Death. Ihr, alle Sinne ansprechender musikalischer Aufbau kommt richtig gut rüber und erinnert mich in ihrer frischen, experimentellen Art ein wenig an die Pionierstimmung älterer IN FLAMES Alben. Wobei OBSCURAs‘ musikalische Auslegung ganz klar auf Progressivität, unkonventionelle Spielweisen und experimentelle Klangdimensionen ausgerichtet ist. Der Fokus ist dabei stets auf den Song als Gesamtkunstwerk gelegt. Hier wirkt nichts gekünstelt, übertrieben oder gar fehl am Platz. Das etwas langsamere, düstere „Mortification of the Vulgar Sun”, hat es mir dabei besonders angetan, aber auch die übrigen Songs sind auf unerreichbar hohem Niveau. Diese spielerische Finesse kommt eben dabei heraus, wenn man zu 100% Musik isst, trinkt und atmet. Die einzelnen Tracks rufen ganz individuelle Stimmungen hervor und mögen jeder für sich verstanden, letzten Endes aber doch als Konzept wahrgenommen werden. „Diluvium“ ist ein wahres Kleinod geworden, ein feingeschliffenes Juwel, an dem es immer wieder Neues zu entdecken gilt. Es ist ein Album mit Herz, Flair und Seele geworden, mit dem man sich lange beschäftigen und auseinandersetzen kann.
Interessanterweise spielt Linus Klausenitzer einen 6/7-string Fretless Bass, der sich im Gesamtsound immer wieder stark durchzusetzen vermag, was allein schon dafür spricht, dass er sein Instrument blind beherrscht. Sämtliche Bandmitglieder sind ausgebildete, gefragte Musiker in der Szene. Hier sind also Meister ihres Fachs am Werk, die sich ihren Sound erneut von V. Santura (Victor Bullok, seines Zeichens Gitarrist von DARK FORTRESS und Sänger, sowie Gitarrist von TRIPTYKON) in den Woodshed Studios zu Landshut veredeln ließen. Die brutal starke, klar differenzierte Produktion, bei der jedes kleine Zischen auf die Trommelfelle des Hörers trifft, ist die Krönung dieses einmaligen Konglomerats aus Progressivität und Aggressivität. Für die interessierten Musiker unter euch haben OBSCURA auch zu „Diluvium“ wieder zwei Official Guitar & Bass Tablature Books herausgebracht, die über die Website der Band geordert werden können. OBSCURA haben mit „Diluvium“ und ihrer Art der perfektionierten Spielkultur eindeutig den Zahn der Zeit getroffen! Besser geht’s kaum...
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Meine Wertung: 90/100
OBSCURA in der aktuellen Besetzung:
Steffen Kummerer – Vocals/Guitars
Rafael Trujillo – Guitars
Linus Klausenitzer – Bass
Sebastian Lanser – Drums
Tracklist:
01. Clandestine Stars (03:38)
02. Emergent Evolution (04:52)
03. Diluvium (05:02)
04. Mortification of the Vulgar Sun (06:09)
05. Ethereal Skies (05:18)
06. Convergence (04:04)
07. Ekpyrosis (05:23)
08. The Seventh Aeon (05:17)
09. The Conjuration (05:33)
10. An Epilogue to Infinity (06:16)
11. A Last Farewell (Digital Bonus Track) (02:26)
TT: 53:58 Minuten
Anspieltipps: Mortification of the Vulgar Sun; Ethereal Skies; The Seventh Aeon; The Conjuration; An Epilogue to Infinity
Die aktuellen OBSCURA Tourdates der checkt ihr hier: Klick!
Die nächsten Tage wird es auf LACK OF LIES auch ein Interview mit OBSCURA geben...so stay tuned!
Diluvium: