Nils Westerboer - Lyneham

Hobbit Presse

- komplexe und tiefgründige HardSF Post-Dystopie mit interessanten Fragestellungen -

(German & English version)


Nils Westerboer - Lyneham
Erscheinungstermin: 15.03.2025 / Hobbit Presse (Klett-Cotta Verlag)

German version (for the English version scroll down further):

 

In einem fernen Sonnensystem, irgendwann in der Zukunft. Nachdem die Erde unbewohnbar geworden ist, macht sich die Rayser-Interstellar samt dem 12-jährige Henry Meadows, seinem Vater Charles, seinen beiden Geschwistern Chester und Loy, sowie etlichen weiteren, ehemaligen Erdenbewohnern auf, zum urzeitlichen Mond Perm. Anstatt in einem, für den Mensch als unbedenklich einzustufenden Milieu, stranden die Erdenflüchtlinge in einem unwirtlichen und menschenfeindlichen Lebensraum, deren Atmosphäre sie nur mit einer Atemmaske absorbieren und verstoffwechseln können. In der Theorie hätte längst alles für ihre Anreise vorbereitet sein sollen, doch das Terraforming war offensichtlich noch nicht zur Gänze abgeschlossen. Die Luft war unfertig, die Vegetation inkompatibel, die Gravitation gering und die unzähligen Gefahren im Allgemeinen eher tödlicher Natur. Eigentlich hätte die Impulsmission, bestehend aus Henrys Mutter Dr. Mildred Meadows, Noah Rayser, dem "Macher" und Vorstandsvorsitzenden von Rayser-Interstellar, sowie einigen weiteren Teilnehmern, einige dieser Unregelmäßigkeiten längst beheben sollen. Hier auf Perm gibt es aber nach wie vor seltsame Anomalien, eine kaum auszumachende, weil unsichtbare Fauna, eine extrem helle Sonne, zwei Arten von Nächten und Gebirge doppelt so hoch, wie auf ihrem ehemaligen Heimatplaneten. Doch aus welchem Grund bietet Perm nach wie vor solch ein merkwürdiges und lebensfeindliches Umfeld? Und wo ist eigentlich Henrys Mutter Mildred?

Nils Westerboer

Mit der komplexen und tiefgründigen HardSF Post-Dystopie "Lyneham" hat der, 1978 in Gaildorf (Baden-Württemberg) geborene Schriftsteller Nils Westerboer, eine fantasiegeschwängerte Welt geschaffen, die trotz aller Ernsthaftigkeit sequenziell ein wenig verspielt und abgelenkt erscheint. Dies ist selbstredend dem Umstand geschuldet, dass der Autor vornehmlich aus der Sicht Henrys, in der ersten Person Singular schreibt. Die gegenwärtige Erzählung wird durch Aufzeichnungen der vorangegangenen Impulsmission, ebenfalls in der ersten Person Singular, durch Dr. Mildred Meadows untermalt. Die Problematiken, die ein Leben auf dem Mond mit sich bringen, treten in ihren Aufzeichnungen nach und nach ans Licht. Sie wollten den "Nachzüglern" ein Paradies schaffen. Doch was ist hier aus dem Ruder gelaufen? Der ehemalige Betreuer für Menschen mit Behinderung, Hausmeister und Trainer für Sprengstoffsuchhunde, Naturfilm-Kameraassistent und jetzige Lehrer an einer Gemeinschaftsschule, erstellt hierzu interessante Thesen und Theorien, wie biologische und evolutionäre Abfolgen in fernen Galaxien der Zukunft tatsächlich vonstattengegangen sein könnten. Das macht Westerboer auf unkonventionelle, aber auch auf komplizierte bis verwirrende, bisweilen gar abstrakte Weise. Dem Leser wird hierbei eine gewisse Vorkenntnis diverser ökologischer, ökonomischer und (geo-)politischer Kausaleffekte abverlangt, die der Autor mit einem tieferen Sinn stimuliert. Fabelhaft und metaphorisch verpackt geht Westerboer auf die Missstände unserer weltlichen Errungenschaften, unseres Handelns und unserer (gegenseitigen) Verantwortung ein. Die Zeichnung der landschaftlichen Kulisse ist, wie bei fremden Welten unabdingbar, recht detailliert und anschaulich erfolgt. Dennoch verlangt Nils Westerboer seiner Leserschaft ein hohes Maß an Vorstellungskraft ab. Auch die fremdartigen, teils erfundenen, teils aus bekannten Wörtern zusammengewürfelte Komposita, sowie die unzähligen wissenschaftlichen Fachbegriffe machen dem Bücherwurm die Nahrungsaufnahme nicht immer ganz leicht. Der 496 Seiten starke Edutainment-Fiction Roman "Lyneham" ist ansonsten atmosphärisch, gehaltvoll und lebendig umgesetzt, weist aber zugegebenermaßen auch einige Längen auf.

Nils Westerboer - Lyneham
Klappentext

Die neuen Permbewohner sind in den riesigen Biomen Lyneham A und B untergebracht. Lyneham ist hierbei ein Kompositum aus Lyne (altwal.): See/Gewässer und ham (altengl.): Siedlung/Heim (sprich: Lainäm). Hier leben die ehemaligen Erdenbewohner beinahe wie auf einer futuristischen Erde in einer Schutzatmosphäre. Die Kinder werden unterrichtet, das Essen bereitet ein Aggregator zu, die Automaten bauen und erschaffen Reaktoren, Gebäude und Luftfilter. Doch immer wieder wird die Frage nach Inkompatibilität und Kontamination durch eine invasive Art laut. Die Okkupation Perms wirft nun mal auch irdische Fragen zur Verdrängung und Zerstörung endemischen Lebens, der Haushaltung mit den Ressourcen unseres Planeten, wirtschaftlichen Automatismen, Anpassung, dem Umgang mit KI, künstlichen oder künstlich hergestellten Nanoorganismen und -maschinen, sowie zu religiösen Weltanschauungen auf. Dennoch hätte "Lyneham" stellenweise ein bisschen mehr Schwung und Handlung vertragen können.

 

Nils Westerboer hinterfragt in seinem SciFi-, Abenteuer-, Öko-, Techno-, Wissenschafts- und Edutainment-Roman "Lyneham" gesellschaftliche, ökologische, ökonomische, ethische, moralische Normen und Grenzen, wirft die ein oder andere philosophische, religiöse oder visionäre Betrachtung in den Raum. Diese durchaus interessanten Gedankengänge sind zum Teil um die Ecke gedacht, zum Teil aber auch auf rein naturwissenschaftliche Belange und Fakten heruntergebrochen. Westerboer erfindet das Rad dabei nicht neu, gibt aber einen kleinen Exkurs in Anthropologie, Paläoanthropologie, die destruktive Einstellung des Menschen und seines selbstauferlegten, von Anfang an zum Scheitern verurteilten Wirtschaftssystem, das allgemeine Mit- und Gegeneinander, sowie den Sinn des Lebens. Da kommen Fragen um Besitz, wenn auch nur rudimentär angeschnitten, teilweise schon sehr geil rüber. Auch wenn Westerboer sein allgemeingültiges (weitergehendes) Wissen eher geduldig, sachlich und entspannt vermittelt, läuft er dabei aber Gefahr, das eigentliche Storyboard zu untergraben. Wer hier eine triviale Fantasy- oder Horror-SciFi-Story vermutet, könnte eventuell enttäuscht sein. Wer sich neben der eigentlichen Story gerne mit interessanten Ansichten zu den angesprochenen Themen berieseln lässt, dürfte bei "Lyneham" wiederum goldrichtig liegen.

 

(Janko)

 

https://www.nilswesterboer.de/

https://www.facebook.com/rudiger.bartel.1

https://www.instagram.com/nilswesterboer/

 

Brutalität/Gewalt: 10/100

Spannung: 59/100

Action: 41/100

Unterhaltung: 81/100

Anspruch: 77/100

Atmosphäre: 42/100

Emotion: 22/100

Humor: 03/100

Sex/Obszönität: 01/100

 

LACK OF LIES - Wertung: 78/100

 

LACK OF LIES - Altersempfehlung: ab 18 Jahren (aufgrund des anspruchsvollen, fremdwortgespickten und komplexen Kontexts, sowie des Verständnisses für die sozialkritische Thematik)

 

Nils Westerboer - Lyneham

Hobbit Presse (Klett-Cotta Verlag)

Science Fiction

ISBN: 978-3-608-98723-2

496 Seiten

Klappenbroschur, mit Karten

Erscheinungstermin: 15.03.2025

EUR 18,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

 

Weitere Formate:

ISBN eBook (epub): 978-3-608-12404-0

Erscheinungstermin: 15.03.2025

EUR 13,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

 

"Lyneham" bei Hobbit Presse (Klett-Cotta Verlag): https://www.klett-cotta.de/produkt/nils-westerboer-lyneham-9783608987232-t-8938


English version:

 

- complex and profound HardSF post-dystopia with interesting questions -

 

In a distant solar system, sometime in the future. After Earth has become uninhabitable, the Rayser-Interstellar sets off for the primeval moon Perm, accompanied by 12-year-old Henry Meadows, his father Charles, his two siblings Chester and Loy, and several other former Earth inhabitants. Instead of finding themselves in an environment that would be considered safe for humans, the Earth refugees find themselves stranded in an inhospitable and hostile habitat whose atmosphere they can only absorb and metabolize with the help of a breathing mask. In theory, everything should have been prepared for their journey long ago, but the terraforming was obviously not yet fully completed. The air was unfinished, the vegetation incompatible, the gravity low, and the countless dangers generally deadly. The preceding impulse mission, consisting of Henry's mother Dr. Mildred Meadows, Noah Rayser, the "creator" and CEO of Rayser-Interstellar, and several other participants, should have long since resolved some of these irregularities. Here on Perm, however, there are still strange anomalies: fauna that is barely detectable because it's invisible, an extremely bright sun, two types of nights, and mountains twice as high as those on their former home planet. But why does Perm continue to offer such a strange and hostile environment? And where is Henry's mother, Mildred?

 

With the complex and profound HardSF post-dystopia "Lyneham," author Nils Westerboer, born in 1978 in Gaildorf (Baden-Württemberg), has created a fantasy-filled world that, despite its seriousness, appears somewhat playful and distracted in sequence. This is, of course, due to the fact that the author writes primarily from Henry's perspective, in the first person singular. The present narrative is underscored by notes from the previous impulse mission, also in the first person singular, by Dr. Mildred Meadows. The problems inherent in life on the moon gradually come to light in her notes. They wanted to create a paradise for the "latecomers." But what went wrong here? The former caretaker for people with disabilities, janitor and trainer for bomb-detection dogs, nature film camera assistant, and current teacher at a community school, develops interesting hypotheses and theories about how biological and evolutionary sequences might actually have occurred in distant galaxies of the future. Westerboer does this in an unconventional, but also complicated, even confusing, and at times even abstract way. The reader is required to have a certain prior knowledge of various ecological, economic, and (geo)political causal effects, which the author stimulates with a deeper meaning. Packaged in a fabulous and metaphorical way, Westerboer addresses the inadequacies of our worldly achievements, our actions, and our (mutual) responsibility. The depiction of the landscape is, as is indispensable for foreign worlds, quite detailed and vivid. Nevertheless, Nils Westerboer demands a high degree of imagination from his readers. The strange compounds, some invented, some composed of familiar words, as well as the countless scientific terms, do not always make it easy for the bookworm to absorb the information. The 496-page edutainment fiction novel "Lyneham" is otherwise atmospheric, substantial, and lively, but admittedly also has some long stretches.

 

The new Permian inhabitants are housed in the vast biomes Lyneham A and B. Lyneham is a compound of lyne (Old Whale): lake/body of water and ham (Old English): settlement/home (pronounced: Lineam). Here, the former inhabitants of Earth live in a protective atmosphere, almost as if on a futuristic Earth. The children are taught, an aggregator prepares the food, and the automatons build and create reactors, buildings, and air filters. But the question of incompatibility and contamination by an invasive species is repeatedly raised. The occupation of Perm also raises earthly questions about the displacement and destruction of endemic life, the management of our planet's resources, economic automatisms, adaptation, the handling of AI, artificial or artificially produced nanoorganisms and machines and religious worldviews. Nevertheless, "Lyneham" could have used a bit more momentum and action in places.

 

In his sci-fi, adventure, eco-, techno-, science-, and edutainment novel "Lyneham" Nils Westerboer questions social, ecological, economic, ethical and moral norms as well as boundaries, throwing in the occasional philosophical, religious, or visionary reflection. These quite interesting lines of thought are partly thought out of the box, but partly also broken down into purely scientific concerns and facts. Westerboer doesn't reinvent the wheel, but does offer a brief excursion into anthropology, paleoanthropology, the destructive attitude of humans and their self-imposed, doomed economic system, the general coexistence and opposition, as well as the meaning of life. Questions of ownership, even if only rudimentarily touched upon, sometimes come across as quite exciting. Even though Westerboer conveys his general (advanced) knowledge in a rather patient, factual, and relaxed manner, he runs the risk of undermining the actual storyboard. Anyone expecting a trivial fantasy or horror sci-fi story might be disappointed. Those who enjoy being regaled with interesting perspectives on the topics addressed alongside the actual story might be in the right place with "Lyneham."

 

(Janko)



 

- Wir bitten von der Übersendung nicht angeforderter Rezensionsexemplare in physischer Form abzusehen, da Wir diese in der Regel nicht bearbeiten Können -