German Version (for the English Version scroll down further):
Herbst, irgendwo in einer nordamerikanischen Universitätsstadt, in der Gegenwart. Die schwangere Lily und ihr Ehemann Henry Engvall, der an einer ausgeprägten Form der Agoraphobie leidet, haben sich auseinandergelebt. Sie Spielball ihres schwankenden Hormonhaushalts, er Gefangener seiner um sich greifenden Neurosen. Die beiden Ingenieure leben in einer traditionell gehaltenen Villa im viktorianischen Stil. Die einzigen Unterschiede zu den herkömmlichen Nachbarhäusern bestehen darin, dass der zweite Stock ihres Anwesens ein Labor beherbergt, ihr Domizil komplett verkabelt und mit einem eigens entwickelten SmartHome-System ausgerüstet ist. Das Licht, die Heizung, die Vorhänge, die Fenster, alles geht an, wird warm oder öffnet und schließt sich auf einen bestimmten Befehl hin. Überdimensioniert computergesteuert gleicht das Haus einer Festung. Einer Festung oder auch einem Gefängnis, samt Forschungseinrichtung. Hier hat Henry seine eigene Kreation aus diversen Gummi- und Plastik Accessoires, Metall, Verkabelungen, Hydrauliköl und Halbleiterspeichern erschaffen. Einen Roboter. Eine KI. Henry hat ihn auf den Namen William getauft. William ist Henrys ganz eigener, moderner Frankenstein. Nur ohne Beine, mit unförmigem Körper, aber einem quirligen, scharfsinnigen, witzigen, gleichwohl provokanten und über allen Maßen kranken, wie boshaften Geist.
Im Präsens verfasst, lebt der, ebenfalls im Jahre 2024 im kanadischen Original erschienene Psycho Horror Roman "William", von seinem subtilen Spannungsaufbau, seinem geistreichen Wortwitz, sowie der Konversation, nebst der sich gleichzeitig steigernden Hilflosigkeit seiner Protagonisten. Mason Coile, der viel Wert auf einen expliziten Sinn seiner Kausalsätze legt, hat "William" in eine gehobene Leichtigkeit des Amüsements getaucht, wodurch ihm ein intelligenter, witziger und wortgewandter literarischer Kunstgriff geglückt ist. Der 1968 geborenen Kanadier nordirischer Abstammung, hat seinem Roman auch etwas Philosophisches und Sinngebendes spendiert, in dem er auf zugegebenermaßen spielerische, gleichwohl ethische und moralische Weise multiple Gefahren einer KI aufzeigt. "William" verleibt sich, neben dem vor Sarkasmus triefendem Humor, auch Locked House Elemente ein, die zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt erscheinen, da sie auf authentische, gar perfide Weise mit der Geschichte korrespondieren.
Als das Ehepaar Engvall Besuch von Lilys ehemaligen Angestellten Paige und Davis bekommt, ringt sich Henry dazu durch, William erstmals einem menschlichen Publikum vorzustellen. Mit fatalen Folgen! Dem Roboter kann man als hochintelligente KI nix vormachen. Er durchschaut sein Gegenüber, provoziert gerne und redet Henry ohne Umschweife an die Wand. Er möchte fühlen und Gefühle verbreiten. Doch wie soll man sich geistig und körperlich gebührend ausdrücken, beziehungsweise verhalten, wenn man als KI lediglich mit einem ethischen, moralischen und empathischen Grundgerüst ausgestattet wurde? William ist mit seinen groben, menschlichen Zügen und Charaktereigenschaften zumeist launisch und betreibt Psychoterror par excellence. Das macht er aufrichtig und gerne. Im Laufe der Geschichte wird er immer intelligenter, dadurch aber auch gewiefter und noch unberechenbarer. Wenn ihm langweilig ist, fängt er an zu sticheln und wird gehässig bis garstig, gar bedrohlich. Das müssen Gastgeber, wie Besucher alsbald am eigenen Leib erfahren, denn als sich erstmals jemand gegen William auflehnt, weiß er sich auf perfide Art zur Wehr zu setzen.
Mason Coile, hinter dem sich der erfolgreiche New York Times-Bestsellerautor Andrew Pyper verbirgt, hat seinem modernen und zugänglichen Psycho Horror Trip einen bedrohlichen, aber immer wieder auflockernden Anstrich verpasst. Gebannt und gespannt kann der Leser in die 304 Seiten starke Novelle eintauchen und mit den Protagonisten mitleiden. Die Erzählung, die aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt wird, ist in der Art gestrafft, dass sich ein kurzes und bündiges Lesevergnügen herauskristallisiert, das sich auf die wesentlichen und wichtigen Bestandteile seiner Handlung konzentriert. Dies führt einerseits zwar zu kleineren Abstrichen in der Zeichnung der Protagonisten, andererseits entsteht dadurch eine beinahe atemlose Dynamik, ähnlich der von Mats Strandbergs "Die Konferenz". Zum Schluss seines Schreckensszenarios schludert Pyper allerdings ein wenig mit Physik, Technik und Authentizität. Auch die örtliche Kulisse hätte generell eine kontrastreichere Einstellung vertragen können. Aber das tut der Vitalität und der Spannung seines mitreißenden Pageturners keinerlei Abbruch, denn "William" ist ein intelligentes und humorvolles Werk, das mit einem Twist aufwarten kann, den ich in dieser Form im Leben nicht erwartet hätte. Der kanadische Schriftsteller Andrew Pyper, der bereits über zehn fiktionale Romane veröffentlicht hat, studierte Jura an der University of Toronto und erhielt 1996 seine Zulassung als Rechtsanwalt. Pyper hatte dabei jedoch immer nur das Schreiben im Kopf und praktizierte nie als Anwalt. Er hat zwei Kinder und lebt heute mit Ehefrau Heidi Rittenhouse in Toronto.
(Janko)
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Brutalität/Gewalt: 47/100
Spannung: 83/100
Action: 74/100
Unterhaltung: 91/100
Anspruch: 41/100
Atmosphäre: 74/100
Emotion: 54/100
Humor: 24/100
Sex/Obszönität: 06/100
LACK OF LIES - Wertung: 88/100
LACK OF LIES - Altersempfehlung ab 15 Jahren (aufgrund der relativ expliziten Gewaltdarstellungen)
Mason Coile - William
Heyne Verlag
Horror Thriller
ISBN: 978-3-453-27484-6
304 Seiten
Hardcover, Pappband
Originaltitel: William
Aus dem Amerikanischen von Thomas Salter
Erscheinungstermin: 13.11.2024
EUR 20,00 Euro [DE] inkl. MwSt.
Weitere Formate:
ISBN eBook (epub): 978-3-641-32012-6
Erscheinungstermin: 13.11.2024
EUR 12,99 Euro [DE] inkl. MwSt.
"William" beim Heyne Verlag: https://www.penguin.de/Buch/William/Mason-Coile/Heyne/e623808.rhd
English Version:
- Locked House Psycho Horror Thriller of a different kind -
Autumn, somewhere in a North American university town, in the present. Pregnant Lily and her husband Henry Engvall, who suffers from a severe form of agoraphobia, have grown apart. She is the plaything of her fluctuating hormonal balance, he is a prisoner of his rampant neuroses. The two engineers live in a traditional Victorian-style villa. The only differences from the conventional neighboring houses are that the second floor of their property houses a laboratory, their home is completely wired and equipped with a specially developed SmartHome system. The lights, the heater, the curtains, the windows, everything turns on, gets warm, or opens and closes on a specific command. Oversized, computer-controlled, the house resembles a fortress. A fortress or even a prison, including a research facility. Here Henry created his own creation from various rubber and plastic accessories, metal, cabling, hydraulic oil and semiconductor storage. A robot. An AI. Henry baptized him William. William is Henry's very own modern Frankenstein. Only without legs, with a misshapen body, but a lively, sharp, funny, yet provocative and extremely sick and malicious spirit.
Written in the present tense, the psychological horror novel "William", which was also published in the Canadian original in 2024, thrives on its subtle build-up of tension, its witty wordplay and conversation, as well as the simultaneously increasing helplessness of its protagonists. Mason Coile, who attaches great importance to the explicit meaning of his causal sentences, has immersed "William" in a sophisticated lightness of amusement, thereby achieving an intelligent, witty and eloquent literary device. The Canadian of Northern Irish descent, born in 1968, also gave his novel something philosophical and meaningful, in which he shows the multiple dangers of AI in an admittedly playful, yet ethical and moral way. In addition to the humor dripping with sarcasm, "William" also incorporates Locked House elements that never seem artificial, as they correspond to the story in an authentic, even perfidious way.
When the Engvall couple receive a visit from Lily's former employees Paige and Davis, Henry decides to introduce William to a human audience for the first time. With fatal consequences! As a highly intelligent AI, you can't fool the robot. He sees through his counterpart, likes to provoke and straight-up talk Henry down. He wants to feel and spread feelings. But how are you supposed to express yourself mentally and physically or behave appropriately if you, as an AI, have only been equipped with an ethical, moral and empathetic framework? William, with his rough, human features and character traits, is mostly moody and practices psychological terror par excellence. He does it sincerely and eager. As the story progresses he becomes more and more intelligent, but also more clever and even more unpredictable. When he's bored, he starts teasing and becomes spiteful, nasty, even threatening. Hosts, as visitors soon find out firsthand, because when someone rebels against William for the first time, he knows how to defend himself in a perfidious way.
Mason Coile, behind which hides the successful New York Times best-selling author Andrew Pyper, has given his modern and accessible psycho horror trip a menacing but always relaxing touch. The reader can immerse himself in the 304-page novella with excitement and sympathize with the protagonists. The narrative, told from different perspectives, is streamlined in such a way that it results in a short and succinct reading experience that focuses on the essential and important components of its plot. On the one hand, this leads to minor drawbacks in the drawing of the protagonists, but on the other hand, it creates an almost breathless dynamic, similar to that of Mats Strandberg's "The Conference". At the end of his horror scenario, Pyper is a bit sloppy with physics, technology and authenticity. The local backdrop could also have used a more contrasting setting. But that doesn't detract from the vitality and excitement of his rousing page-turner, because "William" is an intelligent and humorous work that has a twist that I would never have expected in this form in my life. The Canadian writer Andrew Pyper, who has published over ten fictional novels, studied law at the University of Toronto and was admitted to the bar in 1996. However, Pyper only ever had writing on his mind and never practiced law. He has two children and now lives in Toronto with his wife Heidi Rittenhouse.
(Janko)