Streetdate: 15.09.2017 / Séance Records
Streetdate: 15.09.2017 / Séance Records

MASCHARAT - Mascharat

(Séance Records)

 

Wenn man als Rezensent von einer kleinen (noch) unbekannten Black Metal Band aus dem Ausland mit der Bitte angeschrieben wird, ihr Album zu rezensieren, dann ist das übersandte Material in aller Regel ziemlich schrottig und obendrein noch schlecht produziert. Soweit zu den Vorurteilen. MASCHARAT sind aber genau die Ausnahme, die diese Regel bestätigt. Feingeistige, klassische Black Metal Inszenierungen voller teuflischer Apathie und Aversion, eine geheimnisvoll atmosphärische Aura umgebend, sowie eine authentische, druckvolle und durchaus als differenziert zu bezeichnende Produktion. Das sind im Groben die Aushängeschilder der Italiener MASCHARAT, die sich im Jahre 2010 zu einer diabolischen Pitch-Black Metal-Horde zusammenschlossen. Trotz der klaren Aufnahme, sollte die gleichnamige Debüt Black Pizza, auch den Authentizität liebenden Schwarzheimern durchaus zusagen. Nach einem Demo, schlicht „Demo 2014“ benannt, haben die Mailänder mit „Mascharat“ nun also ihr erstes Full-length im Kasten.

 

Der Erstschlag der lombardischen Schwarzkittel verkündet straight gezockten Black Metal für Puristen, der sich ohne großartigen Schnickschnack aufs Wesentliche konzentriert. MASCHARAT haben viele Geschwindigkeitswechsel in ihr leidenschaftlich dramaturgisches, zur Melancholie neigendes Konzept eingebaut. Man fühlt sich im Lowtempo genauso zu Hause, wie in den schnellen Gangarten, bewegt sich aber in der Hauptsache in niederfrequenten Tempobereichen und spielt auch gerne mal mit Tonstärkedynamiken. Der italienische Sündenpfuhl beschwört eine bedrohlich düstere und kränklich kalte Atmosphäre herauf, deren heißer Pesthauch wie die Verkündung einer todbringenden Epidemie klingt. Mir ist in letzter Zeit kaum eine solch emotional bewegliche Musik auf engstem Raum zu Ohren gekommen. Jeder einzelne Song baut seine ganz eigene Dynamik und Atmosphäre auf. Der Gesang ist innerhalb seiner begrenzten, genrebedingten Möglichkeiten facettenreich eingesetzt und die Instrumentalfraktion hat viele Elemente aus dem herkömmlichen Heavy Metal abgegriffen. Das Schlagwerk wird punktgenau und variabel angesteuert, dürfte allerdings gerne anspruchsvollere Sequenzen anzubieten haben. 

Nach einem ruhigen Klavier Intro geht es mit „Bauta“, welches mich nicht zuletzt vom Gesang her ein ganz klein wenig an die Anfangszeiten von AGATHODAIMON erinnert, zu Beginn gleich mal deftig zur Sache. MASCHARAT drehen dann aber gewaltig am Pegel und werden regelrecht Still und bedrohlich, um im nächsten Moment wieder etwas mehr aufzudrehen. Man bleibt atmosphärisch sinister, wird aber nicht pompös, sondern eher traditionell und arbeitet mit langgezogenem Permariffing, verzerrten Gitarren, mal klassischen und mal neurotischen Leads. Auch der wirklich sehr dezente Einsatz von Pianoklängen unterstreicht dieses Siechtum aus Krankheit, Verwesung, Kälte und Tod. Die anonymen Schatten (wie sie sich selbst gerne bezeichnen) können aber auch, wie beim darauffolgenden „Médecin de peste“ längerfristig Gas geben, um daraufhin in gezupftes und geflüstertes Lowtempo überzugehen. Im Anschluss erheben sich MASCHARAT monströs wie der Phoenix aus der Asche. Gesang und Gitarren gehen diesen häufig eingeschlagenen Weg aber nicht konsequenterweise mit und verweilen lieber im Grundtenor des mittleren Geschwindigkeitslevels. MASCHARATS dramaturgisch aufgebaute Architektur des, also eher im Midtempo beheimateten, vielschichtigen und dynamischen Black Metal eignet sich perfekt zum Chillen, Wegdriften und zum tief darin eintauchen. Die Songs sind wirklich gut durchdacht, richtig stark inszeniert und arschtight arrangiert.

 

Die überwiegend italienischen Texte (bis auf das, in französischer Sprache verfasste „Médecin de peste”) machen sich zum unverfälschten Black Metal richtig gut und sind im 8-seitigen Booklet auch auf Englisch abgedruckt worden. Die kaltschnäuzige Prononcierung passt hier wie die Faust aufs Auge. Neun Kompositionen voller sinfonischer Kälte, verschwörerischer Demut und mystischer Melancholie, die mit so unterschiedlichen Lauflängen, wie dem 01:27-minütigen Instrumental „Vestibolo“, bis hin zum 11:33-minütigen, epischen, dritten Song „Médecin de peste“ aufwarten. Der originelle, klassische, ab und an auch mal unkonventionelle Atmospheric Renaissance Black Metal der Lombarden dreht sich rund um Verschleierung, Verschwörung und Mord. Maskiert mit Bautas, den bekannten Masken aus dem venezianischen Karneval, treiben die Anonymen Schatten ihr Unwesen. Sie säen Unheil, Verderben und Missgunst auf die Äcker der menschlichen Seele. Der Begriff „Mascharat“ stammt aus dem Arabischen und meint einerseits „schlechter Scherz, Eulenspiegelei, Maskerade, Maske ” andererseits aber auch „chaotische und unmoralische Zustände”.

Dass die Jungs musikalisch so einiges auf dem Kasten haben, lässt sich wohl kaum von der Hand weisen, wie nicht zuletzt das spacig atmosphärische Instrumental „Vestibolo“, sowie das fetzige Instrumental „Simulacri“ mit seinem leichten Thrasheinschlag eindrucksvoll unter Beweis stellen. Okkultismus, Literatur, Religion, Philosophie und venezianische Karnevalstraditionen sind die Steckenpferde er Mailänder, die sich stets in der textlichen Gestaltung zu „Mascherat“ wiederfinden. Der Inhalt ist aufgebaut, wie eine metaphorische, esoterische Erzählung die sich um den Umsturz der moralischen und sozialen Werte dreht.

 Iniziazione:


Sie geht mit der Zerstörung der eigenen Identität einher, um sich später zu einer neuen Wahrheit zu bekennen. In die technische Trickkiste wird dabei äußerst selten gegriffen, was MASCHARAT allerdings auch gar nicht nötig haben. Neben den vier wirklich gelungenen Instrumentals „Intro“, „Vestibolo“, „Simulacri“ und „Outro“ hat man allerdings nur fünf vollwertige Songs am Start. Da diese aber recht lange Laufzeiten haben, kommen sie allein schon auf knapp 40 Minuten. Über allem sind mir das ansprechende Gitarrenspiel, sowie die heiser-dämonischen Vocals äußerst positiv im Gedächtnis geblieben, zu denen das Italienisch passt, wie des Teufels Pranke auf das Haupt des Sünders. Das, insgesamt 50:07 Minuten wirbelnde und auf 500 physische Kopien limitierte „Mascharat“ lohnt sich in jedem Fall und ist selbstredend auch auf allen gängigen Plattformen digital erhältlich. Starke Truppe, starkes Album.

 

https://www.facebook.com/Mascharat/

 

Meine Wertung: 88/100

 

MASCHARAT in der aktuellen Besetzung:

Anonyme Schatten ;-)

 

Tracklist:

01. Intro (02:11) (gesprochenes ??? Instrumental)

02. Bauta (05:45) 

03. Médecin de peste (11:33) 

04. Mora (06:07) 

05. Vestibolo (01:27) (Instrumental)

06. Simulacri (04:05) 

07. Iniziazione (08:14) 

08. Rito (07:07) 

09. Outro (03:36) 

 

TT: 50:07 Minuten

 

Anspieltipps: Bauta; Médecin de peste; Vestibolo; Rito



 

- Wir bitten von der Übersendung nicht angeforderter Rezensionsexemplare in physischer Form abzusehen, da Wir diese in der Regel nicht bearbeiten Können -