Jonas Jonasson - Die Analphabetin, die rechnen konnte

 

Mit seinem 2009er Debüt, "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand", hatte der schwedische Autor Jonas Jonasson, den Vogel abgeschossen und ein humorgeschwängertes Schelmenstück und einen echten Bestseller geschrieben. Auch "Die Analphabetin, die rechnen konnte", welches er im Jahre 2013 nach schob, schielt in die gleiche stilistische Richtung. Wer also "Der Hundertjährige..." verschlungen hat, wird sich sicherlich auch mit "Die Analphabetin..." unmittelbar anfreunden können. Aber nun mal grob zur Story. Mit ihren neun Jahren Berufserfahrung, bekommt die vierzehnjährige Südafrikanerin Nombeko einen Job als Chefin der Latrinenverwaltung in Soweto, einem Teil der Metropolgemeinde Johannesburgs. Allerdings nur unter der Prämisse, dass sie nüchtern bleibt. Bleibt sie, denn sie steht weder auf Alkohol noch auf Drogen. Dieser „Reiz“ ist ihr im Keim erstickt. Ihr Erzeuger machte sich bereits zwanzig Minuten nach vollzogenem Koitus vom Acker und ließ ihre Mutter mit samt all den Sorgen und einer befruchteten Eizelle alleine zurück. Nombekos Mutter frönte allmählich dem Alkohol, den Pharmazeutika und den Lösungsmitteln, die allerdings auch nur eine einzige, endgültige Lösung für ihre Mutter parat hielten. Die Lösung vom Leben. Somit als zehnjährige zur Vollwaise geworden, schlug sich Nombeko, die bereits im zarten Alter von fünf Jahren Geld für sich und die Rauschmittel ihrer Mutter in der Latrinenverwaltung verdiente, fortan alleine durch. Schon immer hatte sie einen Faible für Zahlen und es machte ihr Spaß, sich immer schwierigere mathematische Aufgaben auszudenken und diese zu entzaubern. Das schwarze, mittlerweile pubertierende Mädchen hatte nie eine Schule auch nur von innen gesehen, nie Lesen gelernt und war somit die Analphabetin, die rechnen konnte. Die neunmalkluge Nombeko, noch immer in der Latrinenverwaltung tätig, optimiert die Aufstellung der Plumpsklos, führt so eine dreißig Komma zwei prozentige Gewinnsteigerung herbei und wird befördert. Ihr schmieriger Angestellter Thabo bringt ihr anfangs noch zögerlich, dann allerdings doch endlich das Lesen bei. Nombeko ist wissbegierig und lernfähig und greift später aktiv (mal in nützlicher, mal in sabotierender Weise) in das Kernwaffenprogramm Südafrikas ein, lernt „Die Groot Krokodil“ (den damaligen Staatspräsidenten Südafrikas Pieter Willem Botha), sowie den damaligen Staatspräsidenten der Volksrepublik China (Hu Jintao) kennen und legt sich mit dem Mossad an. Ein zweiter, paralleler Erzählstrang handelt vom besessenen Imgmar Qvist, seiner Gattin Henrietta und den beiden Söhnen, den Zwillingen Holger und Holger aus Södertälje in Schweden. Ingmar, der es sich zur fixen Idee gemacht hatte, König Gustav V. zu treffen, um selbigem zumindest einmal die Hand zu schütteln, ändert seine Meinung nach einem bedauerlichen Zusammenstoß der beiden sehr rasch wieder und macht sich nun die Absetzung der Monarchie und somit die Änderung der Staatsform in seinem Land zur fixen Idee und absoluten Herzensangelegenheit. Wie diese beiden Geschichten irgendwann aufeinander treffen und was sich des Weiteren daraus entwickelt, ist schon ein kleiner Geniestreich. Alles ist irgendwie miteinander verwoben und es entspinnt sich daraus eine Rundreise durch das Ikea Land, mit Atombombe im Gepäck, Mossad im Genick und mit der Verantwortung über des gesamten Landes Geschick. Jonas Jonasson hat schon wahrlich ein Händchen für skurrile, spitzenmäßig erzählte Geschichten, die spannende Wendungen, geistreichen, schwarzen Humor und köstliche, äußerst groteske Ideen bieten. Somit ist auch der zweite, 442 Seiten starke Jonas Jonasson Roman eine extravagante Geschichte geworden, die viel Kurzweil bietet. An sein geniales Erstlingswerk reicht sie allerdings bei weitem nicht heran.

 

Meine Wertung: 80/100

 

www.jonasjonasson.com



 

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