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JONAS JONASSON - Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind
- es geht doch nichts über ein klein wenig kriminelle Energie -
Der, 1961 in Växjö geborene und heute auf der schwedischen Insel Gotland lebende Journalist und Schriftsteller Jonas Jonasson, veröffentlichte mit „Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind“ bereits im April 2016 seinen nunmehr dritten Roman. Wer zuvor schon "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" (welches mittlerweile in 45 Sprachen übersetzt wurde) oder auch "Die Analphabetin, die rechnen konnte", vom schwedischen Star Autor Jonasson gelesen hat, der weiß in etwa, was ihn mit "Mörder Anders..." erwartet. Nämlich eine durchaus intelligent aufgebaute Story mit ausgeklügelten Wendungen, die immer wieder in unvorstellbaren, komischen Situationen endet und deren Humor nicht selten mit bösem Sarkasmus glänzt. Jonas Jonasson hatte bislang ein goldenes Händchen für skurrile, unterhaltsame und extravagante Storyboards. Leider scheint sein Quell an Inspiration nach und nach zu versiegen oder es liegt am immer gleichen Aufbau, der sich allmählich tot läuft, denn der fantastische Spirit, der noch dem Erstlingswerk "Der Hundertjährige..." innewohnte, geht mit jeder neuerlichen Veröffentlichung von Jonas Jonasson leider mehr und mehr verloren.
Der sechsundfünfzigjährige ehemalige Gefängnisinsasse und mehrfache Mörder Johann Andersson ist, nach seiner letztmaligen Entlassung aus der Haftanstalt, im ehemaligen Freudenhaus „Club Amore“ und jetzigen Pension „Sjöudde“ in der Stockholmer Umgebung untergekommen. Axt, Flinte und Messer haben ihn zu dem gemacht, der er heute für jedermann in Schweden ist: nämlich Mörder-Anders. Nicht die hellste Kerze auf der Torte, verspricht er dem Rezeptionisten des "Sjöudde" Per Persson in Zukunft so wenig Morde wie möglich zu begehen. Aber wenn dann erst mal Schnaps und Tabletten im Spiel sind..., aber denen hat Mörder Anders ja mittlerweile abgeschworen. Der Rezeptionist Per Persson ist alles andere als reich und hat sich, nicht zuletzt wegen akuten Geldmangels in und direkt hinter der Rezeption häuslich niedergelassen. Sein Großvater, einst ein angesehener Nutztierhändler, hatte den Wandel der Zeit verschlafen und anstatt in Traktoren weiterhin in Pferde investiert und so das gesamte Vermögen der Familie durchgebracht. Als sich Per Persson gerade auf einer Parkbank von seinem nervenaufreibenden Job an der Hotelrezeption erholt und auf die atheistische Pfarrerin Johanna Kjellander trifft, die vom Sprecher des Gemeinderats und der gesamten Gemeinde während der Predigt aus der Kirche geworfen und letztlich aus dem Kirchenamt entlassen wurde, ändert sich sein ganzes Leben. Vor allen Dingen, als die ebenfalls abgebrannte Pfarrerin, kurzerhand in Zimmer Nummer 8 (Wand an Wand mit Mörder-Anders) untergebracht wird und kurze Zeit später auf selbigen trifft. Geschäftstüchtig wie Pfarrerin Kjellander nun mal ist, schlägt sie dem wohl gefährlichsten Mann Schwedens, ein lukratives Geschäft vor, in das auch bitte der Rezeptionist involviert sein möge. Mit Hilfe der Bibel und Gottes Segen, gegen die die Pfarrerin eine gewisse Abneigung hegt, vermarkten sie Mörder-Anders Dienstleistungen. Sogar die internationale Presse wird hinzugezogen, um die Werbetrommel für die neu gegründete "Körperverletzungsagentur" so richtig anzurühren. So wenden sich Mörder-Anders und seine Freunde gegen den einen oder anderen Feind.
Das ungleiche Trio, das es mit der Moral nicht so genau nimmt, kann seine Geschäftsbeziehung in kürzester Zeit zu einem florierenden, internationalen Unternehmen ausbauen. Daraus entwickelt sich eine groteske, humorvolle Geschichte, die jedoch weit hinter den hochgesteckten Erwartungen der Vorgängerromane zurückbleibt. Und auch wenn man Jonas Jonasson attestieren muss, seine ganz eigene, urtypische und unverkennbare Erzählweise entwickelt zu haben, mangelt es ihr ein wenig an Originalität und Ideenreichtum. "Mörder Anders..." ist eine ganz nette Geschichte, die in ihrem Verlaufe leider merklich abflaut, sodass es spätestens ab dem Mittelteil doch arg zäh wird und man sich durch den Wust an Buchstaben buchstäblich hindurch kämpfen muss. Jonasson‘s Geschichten sind zwar immer rigoros übertrieben und konstruiert, dafür aber stets lesenswert und unterhaltsam. Etwas anderes als unterhalten will und soll die Belletristik ja auch gar nicht. "Mörder Anders..." kann da durchaus mithalten, die angesprochenen Erwartungen aber definitiv nicht erfüllen. Die Story ist dafür zu arg drüber. Der Autor verirrt sich dafür einfach zu häufig in Belanglosigkeiten und Nichtigkeiten abseits der eigentlichen Abläufe. Der Lokalkolorit kommt kaum zum Tragen und auch die Charakterzeichnung ist eher blass ausgefallen. Das braucht es zwar für die Geschichte, die Jonasson mit "Mörder Anders..." erzählt nicht unbedingt, doch hätte es das Storyboard sicherlich empathischer gestaltet.
Als Mörder-Anders dann eines schönen Tages auf die denkbar ungünstige Idee kommt, sein Leben zu ändern, um mit Gottes Hilfe den Pfad der Tugend einzuschlagen, sehen die Pfarrerin und der Rezeptionist die gesamte Körperverletzungsunternehmung als stark gefährdet. Da die Pfarrerin und der Rezeptionist den Hals jedoch nicht voll genug kriegen können, bescheißen sie Mörder-Anders, sowie den ein oder anderen Kunden um seine Investitionen und machen sich dadurch alles andere als lieb Kind in der Unterwelt. Eine irrwitzige Flucht mit dem Wohnmobil, zwei Koffern voller Geld und Mörder-Anders höchstpersönlich als Mitflüchtling an Bord beginnt. Ungewollt ziehen sie eine Schneise der Verwüstung (oder sagen wir besser eine Schneise der Verwunderung) hinter sich her. Die Medien, wie das Internet puschen die Story zusätzlich und bezeichnen Mörder-Anders, der großzügige Spenden an das Rote Kreuz und die Heilsarmee macht, bald als modernen Robin Hood, der von seiner ganzen Nation gefeiert wird. Die beiden gewissenlosen Nutznießer Kjellander und Persson gründen daraufhin im und mit dem Namen von Mörder-Anders eine Glaubensgemeinschaft und kaufen eine Kirche. Eine Kirche mit ihrer ganz eigenen Philosophie, sowie ihrem eigenen Verständnis von Abendmahl und dem Leib Christi. Doch dann ruft einer der geschädigten Unterweltler zur ersten und größten Großversammlung Krimineller in Schweden auf, um die Betrüger um Mörder-Anders und selbigen höchstpersönlich beiseite zu schaffen. Aber die drei Kirchenbesitzer haben einen extrem starken Trumpf in der Hand, der zu einem unkontrollierbaren Blutbad unter den Kriminellen führen könnte...
Meine Wertung: 73/100
https://www.jonasjonasson.com/
Link zur Buchseite des Verlags:
Aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn
Originaltitel: Mördar-Anders och hans vänner (samt en och annan ovän)
Originalverlag: Piratförlaget, Stockholm 2015
Hardcover, Pappband mit Schutzumschlag, 352 Seiten, 13,5 x 21,5 cm
ISBN: 978-3-570-58562-7
Erschienen am 07. April 2016