JAMES LEE BURKE - Zeit der Ernte
- ein Gewalt- und Alkoholexzess aus Wüste, Hitze, Schweiß und Staub -
Mit seiner Reihe um den alternden, aber durchsetzungsstarken Anwalt und Korea-Kriegsveteran Hackberry Holland, hat der, 1936 in Louisiana geborene Autor James Lee Burke, direkt ins geschundene Herz des amerikanischen Traums gestochen. Obschon "Zeit der Ernte", der erste Teil der raubeinigen Krimi-Thriller Reihe, erst am 28.08.2017 über Heyne Hardcore auf dem deutschen Markt veröffentlicht wurde, also lange nach den Folgeromanen, erschien dieser Roman bereits im Jahre 1971 in den USA. Auf 384 Seiten erzählt Schriftsteller Burke die Geschichte des mexikanischstämmigen Landarbeiters Art Gomez, der gemeinsam mit dem Texaner Hackberry Holland im Vietnam Krieg gedient hat. Als der Anwalt und aussichtsreiche Kandidat der Demokraten für den Kongress Hackberry Holland Post von seinem alten Freund und Kriegskameraden erhält, erfährt er, dass Art bei einem Streik in Schwierigkeiten geraten sei und daraufhin wegen einer Rangelei in einer Streikpostenkette zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Grobschlächtig und unnahbar, wie sich Hackberry Holland nun mal gibt, kann er das natürlich nicht auf sich sitzen lassen und fährt kurzerhand in Valley, um dem Mexikaner anwaltlichen Beistand zu leisten.
Hackberry träumt von den entsetzlichen Erlebnissen seiner Kriegsgefangenschaft, die ihn immer wieder einholen und aus der Bahn werfen. Verfolgt von diesen traumatischen Ereignissen frönt der, im ersten Teil noch als Unsympath dargestellte, fast zwei Meter große Anwalt Hackberry Holland dem Alkohol, fühlt sich von der käuflichen Liebe magisch angezogen und ist ein Ekel zu seiner Frau Verisa. Sperrig, alkoholisiert und dadurch mental verkrüppelt, wie Hackberry über sich selber sagt, betreiben er und seine sogenannten Freunde Wahlkampf inklusive Klinkenputzen und Partys auf seine ganz eigene Weise. Der Anwalt lässt dabei keine Situation ungenutzt, sich zu betrinken und wie ein flegelhafter Rüpel zu benehmen. Die Story, die irgendwo in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts angesiedelt ist, schmeckt also permanent nach Whiskey, Bier, Wüste, Gewalt, Hitze, Schweiß und Staub. Es ist eine durchaus intelligente, aber geistig keineswegs hochtrabende Sprache, derer sich Burke bemächtigt. Die Romane des Autors sind zwar generell nichts für Zartbesaitete, dennoch fühlt man sich in seiner Sprache sogleich zu Hause.
Hackberry Holland will sich direkt vor Ort über die Zustände informieren und besucht die Mitglieder der United Farm Workers in ihren billig zusammengezimmerten und windschiefen Häusern. Bei einem, von ihm organisierten Saufgelage, verguckt er sich in die Gewerkschafterin und Streikorganisatorin Rie, die seine Avancen prompt erwidert. Der Anwalt will den streikenden Feldarbeitern mit Rat und Tat zur Seite stehen. Er trinkt aber zu viel und verliert häufig die Kontrolle. Sogleich legt sich der übermütige Anwalt, der laut ist, säuft und pöbelt, mit der texanischen Polizei an, was ihn kurzerhand eine Nacht im örtlichen Polizeigewahrsam einbringt. Hackberry macht sich unter den Offiziellen im Valley also wirklich keine Freunde, was ihn aber auch nicht davon abhält, sich weiterhin gegen jeden aufzulehnen. Als Art Gomez, auf die Initiative von Anwalt Hackberry Holland hin, kurz vor seiner Entlassung aus der texanischen Haftanstalt an der Grenze zu Mexiko steht, wird dieser ermordet aufgefunden. Nun wird es gänzlich ungemütlich im Valley, denn jetzt gerät der Anwalt erst so richtig in Fahrt.
In meinen Augen ist der, in der Ich-Form geschriebene Roman "Zeit der Ernte" allerdings nicht unbedingt der geeignete Einstieg in die Serie. Die Zeichnung der Protagonisten, wie auch des Lokalkolorits sind zwar hervorragend ausgestaltet, dennoch wirkt die egoistische, egozentrische und widersprüchliche Lebensart seines Hauptprotagonisten durchaus befremdlich auf diejenigen Leser, die in der Hackberry Holland-Reihe bereits fortgeschrittenen sind. Aufgrund der unablässigen Sauferei wirken die Charaktere, deren Kommunikation und Interaktion leider zum Teil arg konstruiert und gekünstelt. Das steht im krassen Gegensatz zu den grandiosen Folgewerken (inklusive der "Dave Robicheaux"-Reihe) des Autors. Die doch recht bildhafte Erzählweise offenbart jedoch die Brutalität, die Härte und die Demütigungen in den gewaltbereiten Distrikten Amerikas und Mexikos. Allerdings zieht sich die Geschichte zum Teil wie ein frisch verdauter Kaugummi. Es wird über zu viel belangloses sinniert, Holland plaudert munter aus dem Nähkästchen, die Action wird kurz gehalten und der Aufbau der Story erscheint im Vergleich mit der weiteren Reihe wenig geistreich. Eine Buchseite, die nicht von einem Alkoholexzess berichtet, scheint man in diesem Roman vergeblich zu suchen. Lediglich die seelischen und körperlichen Grausamkeiten, die Hackberry während seiner Zeit in Kriegsgefangenschaft erlebte, sind interessant vorgetragen und ziemlich heftig. Aber mit stumpfsinnigen Macho- oder Anglergeschichten und angestaubten Kriegsneurosen, lockt man heute keinen Leser mehr in den Lesesessel. Action tritt erst ab Seite 327 zu Tage, was für einen 384 Seiten starken Thriller-Roman dann doch etwas arg dürftig ausgefallen ist. Der gesamte Roman ist also so überflüssig wie Haushaltsreiniger im Aquarium und so weit entfernt von "unterhaltsam" wie die Ringe des Saturns vom Mittelpunkt der Erde.
(Janko)
Meine Wertung: 63/100
Link zur Buchseite des Verlags:
https://www.randomhouse.de/Paperback/Zeit-der-Ernte/James-Lee-Burke/Heyne-Hardcore/e498418.rhd
Aus dem Amerikanischen von Daniel Müller
Originaltitel: Lay Down my Sword and Shield
Originalverlag: The Countryman Press
Paperback, Klappenbroschur, 384 Seiten, 13,5 x 20,6 cm
ISBN: 978-3-453-27101-2
€ 18,00 [D] | € 18,50 [A] | CHF 25,90* (* empfohlener Verkaufspreis)
Verlag: Heyne Hardcore
Erschienen: 28.08.2017