James Lee Burke – Glut und Asche
- Nepper, Schlepper, Bauernfänger auf Texanisch -
Erneut lässt der, 1936 in Houston, Texas geborene Autor James Lee Burke, seinen fast zwei Meter großen Protagonisten, Witwer und Nordkorea Veteran Sheriff Hackberry Holland durch die texikanische Hölle gehen. „Glut und Asche“, der hierzulande am 14.09.2015, als zweiter Teil der Hackberry Holland Reihe erschienene Thriller Roman des internationalen Bestsellerautors, kann als Standalone betrachtet werden, da er nicht direkt auf dem ersten Teil „Regengötter“ aufbaut. Allerdings tauchen neben dem bärbeißigen aber zumeist besonnenen, indes in die Jahre gekommene Sheriff mit dem gewöhnungsbedürftigen Namen Hackberry Holland auch weitere altbekannte Protagonisten wieder auf. Da wären zum Beispiel Chief Deputy Pam Tibbs, Disponentin Maydeen Stoltz, Ethan Riser vom FBI, der russische Waffenhändler Sholokoff oder der ständig betrunkene Indianer Danny Boy Lorca.
Als letzterer des Nachts in die Wüste geht, um auf der Mesa nahe der Tex-Mex Grenze versteinerte Dinosauriereier auszugraben, wird er Augen- und Ohrenzeuge eines grausamen und brutalen Mordes, verübt von der skrupellosen Schlepperbande eines mexikanischen Drogenkartells, augenscheinlich an einem Bundesbeamten der Drogenbehörde. Noie Barnum, ein weiterer Gefangener der Schlepperbande kann aus der Gewalt seiner Entführer fliehen, wobei der ansonsten einzige Zeuge Danny Boy Lorca glücklicherweise gänzlich unentdeckt bleibt. Barnum hingegen befindet sich in allerhöchster Lebensgefahr, jedoch fehlt von ihm jede Spur. Krill, der Anführer der Schlepper ist ein krankes, barbarisches Individuum, das keine Ruhe findet ehe es sein Opfer gefunden hat. Der geflohene Gefangene ist im Besitz brisanter Regierungsgeheimnisse über den Bau einer Drohne, die die Mexikaner gerne an Al-Quaida verkaufen würden. Das wiederum würden die Amerikaner gerne verhindern und so entfacht ein Flächenbrand ungeahnten Ausmaßes, in einem ausgedorrten Landstrich ohne Moral, voller herzlich kranker und gestörter Individuen, bei dem sich keiner mehr so recht sicher sein kann, wer hier gerade Freund oder wer hier gerade Feind ist. Der Flüchtige Barnum wird von allen Seiten gejagt und hat sich mächtige Feinde, nicht zuletzt auf Seiten beider Regierungen gemacht. Und so geraten der Geflohene Noie Barnum, Reverend Cody Daniels, der auf Wetbacks (umgangssprachlich für illegale, mexikanische Einwanderer) schießt, der ehemalige Kojote (Schlepper) Krill und sein Gefolge, Sheriff Hackberry Holland und sein Deputy Pam Tibbs, Rüstungsunternehmer Temple Dowling, Waffenhändler Sholokoff, sowie die Asiatin Anton Ling, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Illegalen kurz hinter der Grenze Obdach zu gewähren und sie mit dem Nötigsten zu versorgen, in eine nicht mehr aufzuhaltende Lawine geradezu herausgeforderter Interaktionen und somit in eine hässliche und blutige Spirale der Gewalt. Mit einem Mal hat es Hackberry Holland mit einem ganzen Pulk an Leuten zu tun, die er eigentlich gar nicht in seinem County haben will.
Sheriff Holland und Deputy Tibbs ermitteln unter anderem in mexikanischen Bordellen. Ständig begleitet von Hitze, Schweiß und dem betäubenden Geruch nach Tod. Sie sprechen dort mit begriffsstutzigen Kleinkriminellen, nicht sonderlich hilfsbereiten Polizisten und ekelerregenden Zuhältern, was Hackberry das eine oder andere Mal seine Kompetenzen gnadenlos überschreiten lässt. Die beiden Ermittler haben es aber auch immer wieder mit völlig kaputten Gestalten zu tun, die ihnen das Leben schwer machen. Wie bei James Lee Burke nun mal üblich, bewegen sich die Ermittlungen abermals in einem Milieu voller Gleichgültigkeit, Gewalt und der Sehnsucht nach Tod. Zu einer, bereits aus dem ersten Teil "Regengötter" bekannten Person, baut Schriftsteller Burke dann noch eine arge Kontroverse ein, mit der er dem Leser etwas zum Hadern und Zähneausbeißen gibt.
Wie man es vom Autor nicht anders gewohnt ist, geht es gleich von Anfang an deftig zur Sache. Burke baut seine feinen Spannungsbögen immer genau da auf, wo es richtig weh tut und webt ein, für das belletristische Genre doch recht komplexes Storyboard drum herum. Diverse Parallelen zu den Gangstern aus dem ersten Hackberry Holland Fall drängen sich auf, die Sprache ist explizit und hart wo sie es sein soll, aber im Gegenzug auch nachdenklich und sentimental wo es von Nöten ist. Burkes‘ Schreibstil gleicht stets dem eines actionreichen und interessant aufgebauten Kinofilms. Es herrscht generell viel Kommunikation und die Beschreibung des Lokalkolorits macht die Versinnbildlichung der jeweiligen Szenerien zu einer Leichtigkeit. Jedoch werden hier immer wieder Szenen der Gewalt beschrieben, die zwar nicht in allen Einzelheiten, aber doch recht drastisch aufgeführt werden. Hin und wieder lässt sich Burke dann aber dazu hinreißen zu sehr aus dem Nähkästchen zu plaudern, was den Lesefluss ein wenig ins Stocken geraten lässt und am Anfang des letzten Drittels einen etwa 100-seitigen Durchhänger kreiert. Einen solch komplexen, 696 Seiten starken Thriller bekommt man allerdings auch nicht alle Tage zu lesen. Inhaltlich ist "Glut und Asche" auch etwas wirrer und flacher als noch der erste Hackberry Holland Fall. Zu viele Gruppen, zu viele Gangster und jeder hat irgendwelchen Dreck am Stecken. Auch die Sentimentalität der Auftragskiller in Burkes' Hackberry Holland Reihe ist durchaus etwas befremdlich. Man wird zum Teil regelrecht nachsichtig mit diesen bemitleidenswerten Kreaturen...und dann bekommt Holland bei einem fulminanten Showdown auch noch Hilfe von gänzlich unerwarteter Seite.
(Janko)
LACK OF LIES - Wertung: 82/100
Link zur Buchseite des Verlags: https://www.randomhouse.de/Paperback/Glut-und-Asche/James-Lee-Burke/Heyne-Hardcore/e457859.rhd
Aus dem Amerikanischen von Daniel Müller
Originaltitel: Feast Day of Fools
Originalverlag: Simon & Schuster
Paperback, Klappenbroschur, 704 Seiten, 13,5 x 20,6 cm
ISBN: 978-3-453-67680-0
€ 17,99 [D] | € 18,50 [A] | CHF 24,50* (* empfohlener Verkaufspreis)
Verlag: Heyne Hardcore
Erschienen: 14.09.2015