© Frank Schätzing x Midjourney


Frank Schätzing - Helden

Kiepenheuer & Witsch

- ausschweifend strapaziöses Historien-Epos -

(German & English version)


Frank Schätzing - Helden
Erscheinungstermin: 16.10.2024 / Kiepenheuer & Witsch

German Version (for the English version scroll down further):

 

Wie ich es hasse, ein Buch abzubrechen! Doch die Lektüre der ersten 365 Seiten zu "Helden" war mir dermaßen anstrengend, dass ich mich dazu gezwungen sah, diesen bitteren Schritt zu gehen. Dem Roman mangelt es an Flair, Charisma und Cozyness. Kein Wunder, wenn man sich als Leser nach 330 Seiten fragt, worauf der Autor eigentlich hinaus will und vor allem Dingen, wann die Geschichte denn endlich loszugehen gedenkt! Frank Schätzing kommt im zweiten Teil der "Jacop der Fuchs"-Trilogie einfach nicht auf den Punkt und entwickelt keinerlei Storyboard mit erzählerischem Flow (außer seiner ausufernden, gleichwohl entbehrlichen geschichtlichen Abhandlungen der englischen, wie französischen Geschichte, deren Herrscher, deren Kriege, sowie deren gegenseitigen Ausbeutungen). Die Handlung, die sich eigentlich mit Jacop der Fuchs und seinem Umfeld befassen sollte, dreht sich fast ausschließlich um die Kölner Handlungsbeziehungen des 13. Jahrhunderts, die damalige wirtschaftliche Lage, die finanziellen Geschicke, den Klüngel und das Bankwesen. Dabei hat Schätzing offenbar das Kölner Stadtarchiv auf links gedreht. Doch alles bleibt seltsam monoton, ermüdend und belanglos, auch wenn der Autor seinen Kontext wie gewohnt mit intelligentem Wortwitz angereichert hat. Der gesamte Dunstkreis, in dem sich "Helden" abspielt, ist zäh wie ein frisch verdauter Kaugummi. Für mich persönlich nahezu unlesbar und das mit Abstand schlechteste, weil hoffnungslos überladene Buch des deutschen Bestsellerautors.

 

Der 1957 in Köln geborene Allrounder Frank Schätzing steigt mit seinem neuen historischen Roman "Helden" im Prinzip da ein, wo er vor knapp drei Dekaden mit "Tod und Teufel" aufgehört hat. Die Verschwörung um den Mord am ersten Dombaumeister des Kölner Doms, Meister Gerhard Morart zwar unlängst aufgedeckt, die Täter jedoch nicht öffentlich beim Namen genannt, besteht für Jacop, Jaspar, Goddert und Richmodis noch immer Gefahr für Leib und Leben. Die getroffene Absprache mit den Overstolzen auf wackligen Beinen, müssen sie nach wie vor auf der Hut sein. In einem wirtschaftlich aufstrebenden, mittelalterlichen Köln, in dem der Klerus seine Vormachtstellung allmählich gegenüber Handelswaren und Devisen einzubüßen droht, erhält Jacop der Fuchs die Chance sein Leben endlich in geordnete Bahnen zu lenken. Während die Patrizier eifrig an ihren Handelsstrategien feilen, erhält der ehemalige Herumtreiber, Gaukler und Dieb das Angebot von eben jenen Patriziern zum Kaufmann ausgebildet zu werden. Wissbegierig wie er ist, saugt Jacop alles geflissentlich in sich auf. Dabei ergeht er sich jedoch in endlosen Ergüssen über seine Vergangenheit, seinen jetzigen Platz im Leben und über seine Zukunft. Ein Wiedersehen mit Jaspar Rodenkirchen, Goddert von Weiden, seiner Tochter Richmodis, Erzbischof und Landesherr Konrad von Hochstaden, der reichen Patrizierfamilie der Overstolzen, sowie dem Hünen und Auftragsmörder Urquhart von Monadhliath, das Jacop auf Handlungsreisen von Köln über Frankreich, England und Schottland bis nach Wales führt. 

Frank Schätzing - Helden
©LACK OF LIES

Auf der einen Seite muss man Frank Schätzing zugestehen, dass er sein 1040 Pagina zählendes Epos auf ein äußerst hohes Niveau gehoben hat, auf der anderen Seite ist das dargebrachte Material einfach "too much" für den Gelegenheits-, bzw. den Otto-Normalleser. Schätzing nutzt eine fantasiegeschwängerte, blumig-verschnörkelte, metaphorisch eingefärbte und gehoben stilisierte Rhetorik, die sich an Begrifflichkeiten und Gepflogenheiten der mittelalterlichen Zeit satt frisst. Seine bildgewaltige, mit einem Wahnsinnsaufwand recherchierte Erzählkunst, ist zweifelsohne dazu prädestiniert, eine tiefgehende Atmosphäre der damaligen Zeit heraufzubeschwören, in die der Leser immersiv abzugleiten vermag. Jeder Satz ist geistreich mit Bedacht gewählt, jedes Wort auf die Goldwaage gelegt, jeder Kontext feinfühlig gesponnen und verwebt, was jedoch vollkommen überladen und extrem ausladend wirkt. Schätzing kommt vom 100stel ins 1.000stel und verlangt seinen Lesern ein hohes Maß an Allgemeinbildung, sowie ausgedehnte Französisch- und Latein-Kenntnisse ab. Es ist dieser, vor Stolz gebrüstete, anspruchsvolle und mit unterschwelligem Humor garnierte Stil, für den ihn seine Leser lieben, der aber nicht immer leicht verständlich daherkommt und folglich auch nicht jedermanns Sache sein dürfte. Dies sind nun mal die Hauptattribute, welche die komplexen, literarischen Träumereien von Frank Schätzing begleiten, die selbige so lebendig und so unendlich lesenswert machen, könnte man argumentieren. Auch ich habe diese stilistischen Stärken an seinen früheren Werken sehr genossen, doch war mir das selbstgelobhudelte, halb geschichtlich fundierte, halb fiktionale Kauderwelsch im Falle von "Helden" ungewöhnlich mühsam zu ertragen. Ich hätte beileibe nicht damit gerechnet, dass es derart katastrophal und nichtssagend ausfallen würde.

 

Schätzings kunstfertige, mondäne und kenntnisreiche Wortwahl ist in etliche Handlungsstränge eingebettet, die jedoch leichtfertig dazu neigen, den Leser anzustrengen, zu verwirren und ihn den allgemeingültigen roten Faden vermissen zu lassen. Auch das reichhaltige Personal, dem Schätzing zum Entree des Wälzers ein beschreibendes Glossar spendierte, macht die Sache nur unwesentlich besser, denn die Charaktere bleiben so farblos wie Quellwasser. Der deutsche Romancier schiebt immer wieder philosophische Betrachtungen, zeitgenössische Floskeln und althergebrachte Lebensweisheiten in das episch aufgeblasene, geschichtsträchtige Konstrukt einer ganzen Epoche ein und macht dabei zu viele Baustellen auf einmal auf. Vollkommen belanglose Unterhaltungen werden aufs äußerste gedehnt, Gedankengänge zu Tode durchexerziert und die Nerven der Leser qualvoll überstrapaziert. Schätzing bauscht sein historisches Epos nachgerade künstlich auf, und philosophiert nicht selten am Kernpunkt des Geschehens vorbei. Hat der Autor hier etwa zu viel gewollt? Ich denke schon, denn ein gestraffter Plot hätte dem gehemmten Lesefluss sicherlich so einige Dämme davongespült. Störend empfand ich ebenfalls, dass der Erzähler, für seine 30 Jahre später erscheinende Fortsetzung zu "Tod und Teufel" (1995), gänzlich andere Stilmittel in Sprache, Aufbau und Symbolik verwendet. Was ist nur aus der behaglichen Gemütlichkeit, der durchgängigen Spannung und der großartigen Aura von "Tod und Teufel" vor drei Dekaden geworden? "Lautlos" habe ich geliebt, "Der Schwarm" ist heute noch mein All-Time-Fave, "Limit" war grandios, "Breaking News" aufgrund der komplexen Thematik nicht gerade einfach, das Wissenschaftlich fundierte "Nachrichten aus einem unbekannten Universum" zum Nachdenken anregend und "Die Tyrannei des Schmetterlings" über Paralleluniversen und die Gefahren der KI schon recht kompliziert. Aber was sich Frank Schätzing dabei gedacht, "Helden" derart aufzublasen, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Ein dritter Teil der "Jacop der Fuchs"-Trilogie? Für mich in jedem Fall geschenkt!

 

(Janko)

 

https://www.frank-schaetzing.com

https://www.helden-roman.de/

https://www.instagram.com/frankschaetzing/

 

Brutalität/Gewalt: 21/100

Spannung: 26/100

Action: 23/100

Unterhaltung: 44/100

Anspruch: 68/100

Atmosphäre: 40/100

Emotion: 16/100

Humor: 11/100

Sex/Obszönität: 10/100

 

LACK OF LIES - Wertung: 31/100

 

LACK OF LIES - Altersempfehlung ab 21 Jahren (aufgrund der gehobenen Sprache, der häufigen Verwendung von Fremdwörtern, sowie des allgemeinen Verständnisses von Begriffen und Kontext)

 

Frank Schätzing - Helden

Kiepenheuer & Witsch

Mittelalter-Roman

Buchreihe: Jacop der Fuchs-Trilogie (Teil 2)

ISBN: 978-3-462-00097-9

1040 Seiten

Gebundene Ausgabe

Erscheinungstermin: 16.10.2024

EUR 36,00 Euro [DE] inkl. MwSt.

 

Weitere Formate:

ISBN eBook (epub): 978-3-462-30262-2

Erscheinungstermin: 16.10.2024

EUR 24,99 Euro [DE] inkl. MwSt.

 

 

"Helden" bei Kiepenheuer & Witsch: https://www.kiwi-verlag.de/buch/frank-schaetzing-helden-9783462000979


Trailer zum Buch:






English version:

 

How I hate abandoning a book! But reading the first 365 pages of "Heroes" was so tiring for me that I was forced to take this bitter step. The novel lacks flair, charisma and coziness. It's no wonder when after 330 pages, the reader wonders what the author is actually getting at and, above all, when the story finally plans to start! Frank Schätzing simply doesn't get to the point in the second part of the "Jacop the Fox" trilogy and doesn't develop any storyboard with a narrative flow (except for his extensive, yet dispensable historical treatises on English and French history, their rulers, their wars, and their mutual exploitation). The plot, which was actually supposed to deal with Jacob the Fox and his environment, revolves almost exclusively around the business relationships in Cologne in the 13th century, the economic situation at the time, the financial fortunes, the clans and the banking system. In doing so, Schätzing apparently turned the Cologne city archive inside out. But everything remains strangely monotonous, tiring and irrelevant, even if the author has, as usual, enriched his context with intelligent wordplay. The entire atmosphere in which "Heroes" takes place is as tough as freshly digested chewing gum. For me personally, it is almost unreadable and by far the worst book by the German bestselling author because it is hopelessly overloaded.

 

The all-rounder Frank Schätzing, born in Cologne in 1957, basically starts with his new historical novel "Heroes" where he left off with "Tod und Teufel" almost three decades ago. The conspiracy surrounding the murder of the first cathedral builder of Cologne Cathedral, Master Gerhard Morart, was recently uncovered, but the perpetrators were not publicly named. There is still a danger to life and limb for Jacop, Jaspar, Goddert and Richmodis. The agreement reached with the Overstolen is on shaky ground and they still have to be on their guard. In an economically thriving, medieval Cologne, in which the clergy is gradually threatening to lose its supremacy against trading goods and foreign currency, Jacob the Fox is given the chance to finally get his life into order. While the patricians are busy honing their trading strategies, the former drifter, juggler and thief receives the offer to be trained as a merchant by the same patricians. Inquisitive as he is, Jacob diligently absorbs everything. However, he indulges in endless outpourings about his past, his current place in life and his future. A reunion with Jaspar Rodenkirchen, Goddert von Weiden, his daughter Richmodis, Archbishop and sovereign Konrad von Hochstaden, the rich patrician family of the Overstolzen, as well as the giant and contract killer Urquhart von Monadhliath, which takes Jacop on a sales trip from Cologne via France, England and Scotland to Wales.

 

On the one hand, you have to admit that Frank Schätzing has raised his 1040-page epic to an extremely high level, but on the other hand, the material presented is simply "too much" for the casual or average reader. Schätzing uses a fantasy-filled, flowery, ornate, metaphorically colored and highly stylized rhetoric that eats its fill of terminology and customs of the medieval period. His visually powerful narrative art, researched with incredible effort, is undoubtedly predestined to conjure up a profound atmosphere of the time, into which the reader can immerse himself. Every sentence is cleverly chosen with care, every word is carefully balanced, every context is delicately spun and woven, but this seems completely overloaded and extremely expansive. Schätzing goes from 100th to 1,000th and requires its readers to have a high level of general education, as well as extensive knowledge of French and Latin.  It is this style, boasting of pride, demanding and garnished with underlying humor, that his readers love him for, but which is not always easy to understand and therefore may not be for everyone. These are the main attributes that accompany Frank Schätzing's complex, literary musings and that make them so lively and so infinitely worth reading, one could argue. I also really enjoyed these stylistic strengths in his earlier works, but I found the self-praise, half-historical, half-fictional gibberish in the case of "Heroes" unusually difficult to endure. I certainly didn't expect it to be so disastrous and meaningless.

 

Schätzing's artful, sophisticated and knowledgeable choice of words is embedded in a number of storylines, which, however, tend to strain and confuse the reader and make him miss the generally valid thread. Even the rich staff, to whom Schätzing provided a descriptive glossary at the beginning of the tome, only makes things slightly better, because the characters remain as colorless as spring water. The German novelist repeatedly inserts philosophical observations, contemporary phrases and traditional wisdom into the epically inflated, historical construct of an entire era and in doing so opens up too many construction sites at once. Completely irrelevant conversations are stretched to the limit, trains of thought are exercised to death and the readers' nerves are excruciatingly strained. Schätzing exaggerates his historical epic artificially and often philosophizes past the core point of the event. Did the author want too much here? I think so, because a tighter plot would certainly have removed some of the dams from the inhibited flow of reading. I also found it disturbing that the narrator used completely different stylistic devices in language, structure and symbolism for his sequel to "Tod und Teufel" (1995), which appeared 30 years later. What happened to the comfortable coziness, the constant tension and the great aura of "Tod und Teufel" three decades ago? I loved "Lautlos", "Der Schwarm" is still my all-time favorite today, "Limit" was terrific, "Breaking News" wasn't exactly easy due to the complex subject matter, the scientifically based "Nachrichten aus einem unbekannten Universum" was Thought-provoking and "Die Tyrannei des Schmetterlings" about parallel universes and the dangers of AI is quite complicated. But what Frank Schätzing was thinking when he inflated "heroes" to such an extent is beyond my imagination. A third part of the "Jacop the Fox" trilogy? Definitely not for me!

 

(Janko)


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