Dan Simmons - Hyperion-Gesänge (Teil 1: Hyperion)
Wie immer freut es mich, ein Buch von Dan Simmons in den Händen zu halten.
Wenn es sich dann noch um ein so sehr gefeiertes und hochgelobtes Werk wie die „Hyperion-Gesänge“ handelt, wiegt die Freude gleich umso schwerer. Die Herausforderung für einen Nicht-Sci-Fi belesenes menschliches Wesen ist jedoch ungleich größer, mutet der Autor dem potentiellen Leser doch unheimlich viele neuartige Begriffe zu. Diese sind nicht immer auf Anhieb in einen kausalen Zusammenhang zu bringen, was den Lesefluss dieses Gesamtwerks von biblischem Ausmaß leider von Anfang an ein wenig hemmt. Je nach Auflage sind es über 1.400 Seiten, welche die beiden ersten Teile dieser Space Opera umfasst. Die Fortsetzung „Endymion“ (Teil 1: Pforten der Zeit und Teil 2: Die Auferstehung) schlägt mit weiteren 1.300 Seiten zu Buche. Der unübersichtliche Plot überfordert einen zu Anfang mit diversen Begriffen wie Hegemonie, das Shrike, der Farcaster, die Kruziform, den Tesla Bäumen, die Fuge, die Hegira, Fatline, KI's, Cybrids etc. Die Schatten lichten sich aber alsbald und es ergibt sich eine sehr abwechslungsreiche, spannende, aber nicht minder sonderbare und auch recht komplexe Story.
Wir schreiben in etwa das Jahr 750 nach der Hegira und dem großen Fehler von Kiew (dem Aufbruch von der alten, durch ein selbst geschaffenes schwarzes Loch, zerstörten Erde). Es leben über 20 Milliarden Menschen im Netz, welches den vernetzten Teil des Zusammenschlusses der menschlichen Hegemonie (also des Herrschafts- und Vernetzungsgebietes der Menschheit) im All umfasst. Dan Simmons erzählt die Geschichten der sieben Pilger und ihrer Fahrt nach Hyperion, zu den Zeitgräbern und der Kirche des Shrike. Macht, Vernichtung, Religion, Krieg, Verfolgung, Sehnsüchte, Träume, Moral, Physik und Philosophie vereinigen sich zu einer kunstvoll erschaffenen Szenerie. Science Fiction ist normalerweise ja nicht so meins, aber was Dan Simmons hier abliefert ist schon allererste Sahne. Er schafft sein eigenes Universum oder sagen wir besser seine eigenen Universen. Die vielen fremdartigen Begriffe verwirren ein wenig, machen die Welten und ihre Gegebenheiten aber interessant und den Leser somit neugierig auf mehr. Es ist schon arg unorthodox was Dan Simmons hier konstruiert. Mehrere Erzählstränge sind zwar noch lange nicht ungewöhnlich, aber das „Was“ und „Wie“ macht es so sonderbar. Schund oder Meisterwerk. Hier werden sich die Geister scheiden. Ein Buch wie von einem anderen Stern. Viele neue Gedankengänge offenbaren sich der potenziellen Leserschaft und regen zum Hinterfragen an. Wer hier leichte Kost vermutet, wird Dann Simmons-mäßig eines Besseren belehrt. Selten sind seine Bücher zum einfachen, entspannten lesen geeignet. Die Hyperion-Gesänge sind vielmehr ein Buch im Buch im Buch. Moderne Klassiker zu kreieren sind Trademark des (seit Samstag, 04.04.2015) 67–jährigen Amerikaners. Man merkt immer wieder, wie belesen Dan Simmons ist und ist gleichzeitig immer wieder fasziniert, wie er das Gelesene in seine eigenen Werke einfließen lässt und entsprechend verarbeitet. Langwierige Passagen trüben jedoch zeitweise das Lesevergnügen und hemmen hier und da schon mal den Lesefluss. Für einen "Nicht-Sience Fictionie" ist es oftmals schwierig, den Überblick zu behalten und am Ball zu bleiben. Sci-Fi Fans werden diesem Bollwerk einer Geschichte, welche im gleichen Atemzug mit „Dune-Der Wüstenplanet“ genannt wird aber sicherlich einiges abgewinnen können.
Meine Wertung: 79/100