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CARPE NOCTEM - Vitrun
Nutze den Tag? Nutze die Nacht! Das Zweitwerk "Vitrun" (Vision), der Nachtschwärmer CARPE NOCTEM aus Islands Hauptstadt Reykjavik, kommt in einer edlen Verpackung, als ausklappbares Digipak, inklusive 16-seitigem Booklet. Hierin haben sich sämtliche Lyrics des Albums "verirrt", wodurch man die isländischen Texte munter mitgrölen kann, insofern man denn der isländischen Sprache mächtig ist. Seit der Bandgründung im kalten November des Jahres 2005, hat sich das Black Metal Five Piece enorm weiterentwickelt. Die rauen Nordmänner setzen innerhalb ihrer sechs neuen Tracks gerne auf gegenteilige Sequenzen und scheinen diese indes mit der Leichtigkeit des Seins zu vereinen. "Vitrun" ist ein chaotisches, schräges und dissonantes Kontrastprogramm, das in seiner Gesamtheit jedoch ein klares Bild ergibt. Es ist aber noch mehr als das und lässt sich nicht gar so einfach auf irdische Begrifflichkeiten herunterbrechen. Eben ein intensiver Höllenritt, wie auch ein sanftes Dahingleiten, voller Emotionen mit etlichen ups’n’downs.
Schauen, bzw. hören wir uns das Ganze also mal genauer an und versuchen das Erlebte in Worte zu fassen. "Vitruns" Opener "Söngurinn sem ómar milli stjarnanna" (Der Song, der zwischen den Sternen
erschallt) stellt eine Kakophonie aus düsteren, rauen und gebieterischen Vocals dar, die in einer schrägen dissonanten Anderswelt aus sphärisch klagenden Gitarren in Tremolo, vielschichtigem
Drumming und einer dichten, sinisteren Old School Soundkulisse dahinsiechen. Die ungeschliffene, gutturale, in der Regel eher langgezogene Betonung der teuflischen Gesangsparts beschwört finstere
Mächte herauf. Wie Bannsprüche aus schwarzer Magie versprühen die isländischen Lyrics ihre dämonische Anziehungskraft. Die sechs ausufernden Songs entwickeln dabei eine eigenartige Totengräber
Dynamik, der man sich kaum entziehen kann. Die bedrohliche Atmosphäre des darauffolgenden "Upplausn" (Auflösung) zieht einen unweigerlich in das Abyssal der Hölle. Das katatonisch epische, mit
instrumentalem Intro versehene dritte Stück "Og hofið fylltist af reyk" (Und der Tempel war von Rauch erfüllt) schlägt im Einklang des Lebens müde gewordener Tristesse. Das Intro zu "Hér hvílir
bölvun" (Hier ruht ein Fluch) steigert sich mit seinen extrovertiert gespielten Saiteninstrumenten in einen echt schrägen Wahn, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint. Das ist die pure
Schizophrenie eines divergenten Geistes. Atmosphärisch dicht und verwunschen wie ein urwüchsiger Klangwald spiegelt "Vitrun" die innere Zerrissenheit und Aufgewühltheit wieder, das Hadern mit
sich selbst, das Nagen der Zweifel am ureigenen Selbstbild und seiner nur allzu vergänglichen Hülle. Es ist der tägliche Kampf, den wir mit uns selbst ausfechten, als Abbild der inneren
Zerrissenheit. Dissonanzen, Verzweiflung, Zerrüttung, Stillstand...allumfassend, ungestüm, bisweilen garstig und fies und auch mal aufhorchend leise.
CARPE NOCTEM bauen ihre Dramaturgie immer wieder auf dissonanten Energien auf und obschon die Kinder der Nacht häufig ordentlich Vorlegen, bleibt die angespannte Grundstimmung doch eher in den mittleren Geschwindigkeitsbereichen haften. Hier können CARPE NOCTEM dann auch mal nachdenklich werden, wie beim atmosphärischen Zwischenspiel "Úr beinum og brjóski" (Aus Knochen und Knorpel) . Den krönenden Abschluss findet das 52:02 rotierende "Vitrun" im knapp 12-minütigen Rausschmeißer "Sá sem slítur vængi flugunnar hefur náð hugljómun" (Derjenige, der auf dem Flügelschlag der Fliege landet, hat Hochachtung verdient).
Hér hvílir bölvun (Lyric Video):
Hier werden nochmals alle Register gezogen und von einer lähmenden Katatonie bis zur geistesgestörten Kakophonie sämtliche Spielarten bedient. "Vitrun" ist eigenen Angaben zufolge eine Vision, eine Offenbarung. Sie erforscht den Grenzbereich des Surrealen und des Weltlichen. Alles wird genommen und nichts wird aus freien Stücken zurückgegeben. Es ist wohl eine Art Intermezzo über die Vereinnahmung des Lebens durch Resignation, seine Metamorphose durch den Verfall, letztlich das Sterben des ureigenen Ichs und der Neubeginn in einer nichtstofflichen Welt. Das lyrische Konzept dieser Dystopie bewegt sich rund um die Nordische Mythologie, okkulte Schriften, Esoterik, Prophetie, Kriege, apokalyptische Prophezeiungen und isländische Rituale. Aufgenommen und produziert wurde "Vitrun" von Bassist Árni Bergur Zoëga. Mix und Master stammen hingegen von Riccardo Pasini. Beide haben saubere Arbeit geleistet und CARPE NOCTEM 2.0 ein passgenaues Soundgewand geschneidert. Für Fans düsteren, atmosphärisch dichten, dissonanten und spacig angehauchten Black Metals, der meilenweit vom Mainstream seine Bahnen zieht, gilt "Vitrun" wohl als uneingeschränkt empfehlenswert.
https://www.facebook.com/carpenoctemiceland
Meine Wertung: 84/100
CARPE NOCTEM in der "Vitrum" Besetzung:
Alexander Dan Vilhjálmsson - Vocals, Lyrics
Andri Þór Jóhannsson - Guitars
Tómas Ísdal - Guitars
Árni Bergur Zoëga - Bass
Helgi Rafn Hróðmarsson - Drums
Tracklist:
01. Söngurinn sem ómar milli stjarnanna (06:57)
02. Upplausn (09:01)
03. Og hofið fylltist af reyk (09:37)
04. Hér hvílir bölvun (10:51)
05. Úr beinum og brjóski (03:56)
06. Sá sem slítur vængi flugunnar hefur náð hugljómun (11:40)
TT: 52:02 Minuten
Anspieltipps: Söngurinn sem ómar milli stjarnanna, Og hofið fylltist af reyk, Hér hvílir bölvun