Info: Ein Department of Motor Vehicles (DMV) ist eine staatliche Behörde in den USA, welche die Zulassung von Kraftfahrzeugen und die Führerscheinerteilung verwaltet.
Texten, des US-amerikanischen Schriftstellers Bentley Little wohnt immer ein lebendiger, skurriler und sarkastischer Geist inne. Gerne nimmt der, 1960 in Mesa, Arizona geborene Autor hierbei Körperschaften des öffentlichen Rechts, wie Behörden, Universitäten, Kreditinstitute, die Post oder wie im Falle von "DMV - Dezernat für motorisierte Vehikel", die amerikanische Straßenverkehrs- und Zulassungsbehörde aufs Korn. Bentley Littles lockerflockiger, flüssig zu lesender Schreibstil, wird häufig von der Konversation seiner Romanfiguren getragen und zeichnet sich durch seinen extravaganten, schrägen, bis tiefschwarzen Humor aus. Die Grundgerüste seiner irren Geschichten sind auf durchaus soliden und authentischen Böden errichtet, seine exzeptionellen Zutaten haben es allerdings in sich und sind in der Regel eher von ausnehmender Natur. Aus solch explosiven Gemischen entspinnen sich zumeist mitreißende, atmosphärische dichte und verworrene Erzählungen, bei denen man sich schwertut, sie wieder aus der Hand zu legen. "DMV - Dezernat für motorisierte Vehikel" beruht auf einem ausufernd komplexen Storyboard, das regelrecht grotesk anmutet und auch vor defensivem Rassismus nicht zurückschreckt.
In einem ersten Handlungsstrang lernen wir den Schriftsteller Todd Klein kennen. Als selbiger einen Termin beim DMV wahrnimmt, um mittels einer schriftlichen Prüfung seinen Führerschein zu verlängern, teilt ihm die genervte Mitarbeiterin mit, dass er laut ihrem Computer einen Termin für einen Sehtest und ein Führerscheinfoto ausgemacht habe. Obschon Todds Ausdruck einen Termin für eine schriftliche Prüfung aufzeigt, bezichtigt sie ihn der Lüge, ja sogar der Fälschung. Todd bleibt letztlich nichts anderes übrig, als einen neuen Termin auszumachen. In einem zweiten Szenario erhält der notorische Single Zal Tombasian, seines Zeichens Programmierer beim Softwaredienstleister Data Initiatives einen Strafzettel, weil seine Kennzeichen-Plaketten abgelaufen sind. Alle Beteuerungen, er habe die Unterlagen vor Monaten beim DMV eingereicht, interessieren den Ordnungshüter herzlich wenig. Ein selten dämlicher Zufall, hat Data Initiatives doch kürzlich einen Deal zur Neuaufstellung und Betreuung des anfälligen Computersystems, mit der Behörde abgeschlossen. Die Arbeiten an diesem Projekt gestalten sich für Zal und seinen Kollegen Bernard nicht nur kompliziert, sondern entwickeln sich für sie beide zu einem Albtraum.
Eine dritte Sequenz dreht sich um das Leben des arbeitslosen Jorge Guiterrez. Dringend auf einen Job angewiesen, wird der Bruder von Todd Kleins Frau Rosita auf einem Restaurantparkplatz von zwei aufdringlichen, einschüchternden Männern angesprochen, die ihm ein Job beim DMV anbieten. Das verlockende Angebot eines hohen Einstiegsgehalts, kommt Jorge sehr gelegen und so willigt er widerwillig ein, einen Eignungstest bei der Behörde zu absolvieren. Nachdem Jorge den Multiple-Choice-Test, der bizarre, nachgerade niederträchtige Fragen und Antworten birgt, zu seinem Erstaunen besteht, soll er sofort seine Sachen packen, um an einem DMV-Trainingslager zu partizipieren. Mehr gezwungen als freiwillig findet sich Jorge in einer verwirrend aufgebauten Ausbildungsstätte wieder, die mit all ihren Mauern, Zäunen und den spärlichen Unterkünften, den Charme eines Konzentrationslagers aufweist.
Während Danny Wilding seine Führerscheinprüfung machen will, bei der ihn seine Mutter begleitet, zieht sich eine wahrhafte Tragödie Bahn, als Dannys Mom einen schockierenden Anruf erhält, bei der ihr sämtliche Gesichtszüge entgleiten. Was hat das DMV damit zu tun? Was steckt hinter dem seltsamen Verhalten und den abstrakten Forderungen seitens der Behörde und seiner Mitarbeiter? Als sich die merkwürdigen Vorfälle und Zufälle häufen, überlegen die Betroffenen, das DMV zu verklagen, die Presse, Fernsehsender, das Internet oder Kongressabgeordnete einzuschalten. Der Kampf gegen die Straßenverkehrsbehörde hat begonnen. Doch je tiefer die Akteure bohren, desto extremer und unglaublicher gestaltet sich das Gebaren für sie und ihr Umfeld. Denn niemand rechnet mit einer derartigen Dreistigkeit und Skrupellosigkeit seitens des DMV.
Zugegebenermaßen etwas oberflächlich, was Empathie und charakterliche Tiefe anbetrifft, braucht die Geschichte um das Dezernat für motorisierte Vehikel durchaus ein wenig, um Fahrt aufzunehmen. Alsbald entwickelt das komplexe Werk jedoch ein beängstigendes, gar bösartiges Flair aus Verwirrung, Unbehagen, Hilflosigkeit, Verzweiflung und Wut. Dabei wirft Bentley Little einen ganzen Pulk an Charakteren ein, von denen allerdings viele Handelnde nicht wirklich wichtig sind. Gerade durch die Kommunikation und die Gedankengänge seiner Akteure erhalten Bentley Littles groteske Erzählungen eine breitgefächerte Farbpalette. Die gesellschaftskritischen Aspekte des US-amerikanischen Bestsellerautors erstrecken sich, innerhalb seiner satirisch überzogenen, martialischen Fiktion über Rassismus, Willkür, Totalitarismus, Entführung, Freiheitsberaubung, Körperverletzung, Folter und Mord. Lange Zeit hält der Autor, mit der "Auflösung" seines inszenierten Dilemmas und den dubiosen Praktiken beim DMV, hinterm Berg. Was hat es mit dem seltsamen Verhalten des DMV auf sich, das tief in den privaten Bereich eindringt, Computersysteme infiltriert und sich sogar in ihre Träume seiner Kunden einschleicht? Ist hier etwa eine Parallelwelt auf die Unsere getroffen und hat sich auf eigenartige Weise mit der Unseren vermischt? Bentley Little geht gnadenlos auf die moderne Sklaverei und die Willkür der Behörde ein, die das Arbeitsrecht mit Füßen tritt und der man als Kunde auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Wer mit skurrilem Humor, grotesken Geschehnissen und verwirrenden Szenarien nichts anfangen kann, sollte lieber die Finger von Bentley Littles Werken lassen. Kann und will man sich jedoch darauf einlassen, wird man als Leser grundsätzlich mit einmaligen und exzentrischen Geschichten belohnt. "DMV - Dezernat für motorisierte Vehikel" hätte ein klein wenig mehr Schwung und eine bessere Auflösung vertragen können, ist aber in jedem Falle der blanke Behörden-Wahnsinn!!!
(Janko)
Brutalität/Gewalt: 62/100
Spannung: 52/100
Action: 49/100
Unterhaltung: 80/100
Anspruch: 36/100
Atmosphäre: 33/100
Emotion: 36/100
Humor: 25/100
Sex/Obszönität: 20/100
LACK OF LIES - Wertung: 79/100
LACK OF LIES - Altersempfehlung: ab 16 Jahren (aufgrund der Gewaltdarstellungen und des allgemeinen Verständnisses)
Bentley Little - DMV - Dezernat für motorisierte Vehikel
Buchheim Verlag
Bizarro Fiction/Weirdo Horror
Buchreihe: CEMETERY DANCE GERMANY – Band 23
ISBN: Privatdruck ohne ISBN
456 Seiten
Gebundene Ausgabe mit Lesebändchen; Amerikanisches Buchformat 23,5 x 16,5 cm
Originaltitel: DMV (2022)
Aus dem amerikanischen Englisch von Christian Jentzsch
signiert von Bentley Little sowie den Illustratoren Glenn Chadbourne und Ben Baldwin
Illustrator(en): Ben Baldwin, Glenn Chadbourne
Limitierung: 999 Stück (handnummeriert)
Erscheinungstermin: 21.03.2024
EUR 44,99 Euro [DE] inkl. MwSt.
"DMV - Dezernat für motorisierte Vehikel" beim Buchheim Verlag: https://www.buchheim-verlag.de/bentley-little-dmv-dezernat-fuer-motorisierte-vehikel.html